HU IS HU? Stefan Stiller, Sternekoch

„Dieses Jahr ist mein bestes“, sagt der deutsche Sterne-Koch Stefan Stiller. Wie? 2020 ist doch das Corona-Jahr? Naja, Stiller hat einen Standortvorteil: Sein Gourmet-Restaurant Taian ist in Shanghai. Er hatte nur kurz nach Chinesisch Neujahr zwangsläufig schließen müssen, dann machte er bis Ende März drei Tage die Woche auf. „Seit Anfang April läuft der Betrieb wieder normal“, sagt Stiller. Seit Mai sei das Lokal sogar jeden Tag ausgebucht.  

Jeden Abend sitzen 20 Gäste um die offene Küche und schauen zu, wie Stiller und sein Team ein Zehn- bzw. Zwölf-Gänge-Menü auf die Teller zaubern. Daneben stehen noch zwei Vierertische, auf der ersten Etage gibt es noch eine Bar. Zweimal am Abend – um 18 Uhr und gegen 20.30 Uhr – serviert Stiller, der soeben seinen zweiten Michelin-Stern erfolgreich verteidigte. 

Stiller lebt und arbeitet seit 2004 in Shanghai. Davor lernte er in Deutschland bei ersten Adressen: Goldener Pflug (Herbert Schönberner) und Schweizer Stuben (Dieter Müller). 2004 lockte ihn dann ein Angebot als Küchenchef im Club Shanghai nach China. Nach einem Jahr kündigte er dort, stieg beim „Mimosa Supperclub“ ein. Das machte er bis 2007. Ja, dann wurde er endlich sein eigener Chef im „Stiller`s Restaurant“.  Gehobene Bistroküche am südlichen Bund, eine hippe Gegend. Irgendwann explodierten die Mieten und Stiller machte dicht. Er gibt zu: „Das war schon eine Phase, wo wir überlegten, die Koffer zu packen.“ Es folgten zwei Jahre als Consultant, dann trieb es ihn wieder zurück an den Herd. 

Im April 2016 startete er das Taian Table in der Tai`an Road. Schon nach fünf Monaten bekam er den ersten Michelin-Stern – und am nächsten Tag die Kündigung. Das Lokal in einem umgebauten Warenhaus entsprach nicht ganz den Vorschriften. Aber die Schließung war gute Werbung: „Illegales Restaurant mit Michelin-Stern“, titelte eine Shanghaier Zeitung. BBC und andere internationale Medien berichteten. Da Stiller schon früher wusste, was da auf ihn zukommt, suchte er rechtzeitig nach einer neuen Location. Schon im Dezember 2016 konnte er in der Zhengnan Road das Taian Table wiederöffnen. 

Mit dem Taian Table erfüllt er sich einen Traum: „Ich wollte immer eine kleine Location mit offener Küche und einem Menü“. Alle sechs bis acht Wochen wechselt er das achtgängige Menü. Derzeit wird Menü Nummer 30 serviert. Dazu noch zwei oder vier Gänge aus der Klassiker- oder Spezialkarte. Sein Klassiker? Im Holzofen gebackener Steinbutt mit Rahmsauerkraut. Seine Küche ist eindeutig westlich, wobei es schon mal den ein oder anderen asiatischen Touch gibt. „Aber es ist keine Fusion-Küche. In diese Schublade lasse ich mich ungern stecken.“

Die Frische und die Perfektion haben seinen Preis. Umgerechnet 210 und 240 Euro kostete das Zehn- bzw. Zwölf-Gänge-Menü. Über 90 Prozent der Gäste sind Chinesen. Unter den Ausländern dominieren Franzosen.  Deutsche tauchen eher selten auf. 

Ob er mal zurück nach Deutschland will? „Da wartet keiner auf mich,“ sagte der 54jährige Stiller. Aber in China. In Guangzhou eröffnet Stiller zu Beginn nächsten Jahres ein weiteres Taian Table. Das sei noch exklusiver, sagt er. Im Januar ist das soft opening, zu Chinesisch Neujahr dann für alle. 

Info:

Einen Eindruck vom Taian Table kann man durch dieses Video gewinnen: https://vimeo.com/242347126. Vorsicht: Man kann sich nicht satt sehen.

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