Wenn sie in China „xiao xian rou“ (kleines frisches Fleisch) sehen wollen, müssen sie nicht zum Fleischer gehen, sondern Fernsehen und Filme schauen oder die omnipräsenten Billboards und Werbeplakate in den Städten. Dort werden „xiao xian rou“ präsentiert. So werden in China junge, attraktive Männer im Alter zwischen 20 und 30 tituliert. Der feminine, der androgyne chinesische Mann ist seit Jahren im Trend und von den chinesischen Frauen umschwärmt.
Wann der Trend einsetzte, ist schwer zu terminieren. Ebenso woher er kam. Manche verweisen auf Japan, wo Superstar Takuya Kimura schon Ende der 90er Jahre Werbung für Lippenstifte machte. Andere wiederum nennen eine taiwanesische TV-Serie namens „Meteor Garden“, in der 2001 vier junge, gutaussehende Männer die Hauptrollen spielten. Am wahrscheinlichsten ist aber, dass der Trend aus Südkorea nach China überschwappte und zwar mit der koreanischen Welle – hallyu genannt. In den Nuller Jahren war plötzlich in ganz Asien alles Koreanische schick, vor allem K-Pop mit seinen Boy Groups. Eine dieser Gruppen war EXO mit koreanischen und chinesischen Sängern. Die Chinesen bei EXO waren Lu Han und Kris Wu. Beide verließen 2014 die Band, gingen nach China zurück, wurden dort Stars, bekamen Filmrollen und Werbeverträge: Kris Wu von McDonalds, Lu Han von KFC. Die beiden sind heute noch die bekanntesten und beliebtesten Vertreter der „Frischfleisch“-Generation. Ihre Werbepartner sind heute freilich andere. Kris Wu wirbt für Louis Vuitton und Bulgari, Lu Han für Gucci und Cartier. Und die beiden sind längst nicht mehr die einzigen Vorzeigeobjekte. Die bekanntesten sind Jackson Yee (Werbepartner: Tiffany), Cai Xukun (De Beers, Prada), Yang Yang, Li Yifeng, Roy Wang, Leo Wu und Turbo Liu. Sie schauspielern, singen und treten in den vielen TV-Shows auf, die permanent Nachschub an „frischem Fleisch“ liefern. Mit ihnen hat sich das Männerbild in China stark verändert. Davor galt der Mann als autoritär, stark und maskulin, als Macho eben. Jetzt ist er eher weich und sanft. Das gefällt den Frauen, aber nicht den Männern an der Spitze des Landes. Jetzt, wo sich China anschickt, nach außen – auch militärische – Stärke zu zeigen, brauche man auch starke Männer, keine verweichlichten. Diese soften Jungs würden Chinas Image beschädigen, schrieb schon vor drei Jahren Xinhua und verspottete sie als „sissy boys“ (niang pao). Doch unbeeindruckt von dieser Beschimpfung setzte sich der Trend der männlichen Feminisierung fort. Der Markt für männliche Kosmetika boomt. Oft sind die Jungmänner geschminkt, tragen auch noch Ohrringe und haben Tattoos. Nein, so kann es nicht weitergehen, sagte sich das Bildungsministerium und forderte die Schulen Anfang des Jahres auf, mehr Sportlehrer einzustellen. Jeder Schüler müsse – so das Ministerium – ein bis zwei Sportarten beherrschen. Chinas männliche Jugend soll wieder muskulöser und maskuliner werden.
Info:
In diesem Clip treten Lu Han und Kris Wu gemeinsam als Gesangsduo auf: https://www.youtube.com/watch?v=5un2AaQYDk8