China ist im Feierrausch. Banner und Billboards säumen die Straßen. Feuerwerkskörper knallen. In den Nachthimmel der großen Städte steigen Drohnen, um dort bunte Bilder zu zeichnen. Die Parteiprominenz eilt von Jubelfeier zu Jubelfeier. Am Montag im Nationalstadion, am Dienstag in der Großen Halle des Volkes, und am Donnerstag auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Überall taucht – natürlich in rot – die Zahl 100 auf. Am 1. Juli wird die Kommunistische Partei 100 Jahre alt. Das ist ein bisschen Geschichtsklitterung, denn gegründet wurde sie am 23. Juli 1921. Damals trafen sich 13 Delegierte in einem dieser typischen Shikumen-Häuser mitten in Shanghai. Sie repräsentierten gerade mal 50 Mitglieder. 100 Jahre später hat die KP Chinas rund 92 Millionen Mitglieder. Davon sind nur knapp 26 Millionen Frauen. Im 25köpfigen Politbüro sitzt sogar nur eine Frau. Und auch die Personengruppen, für die sich die KP einst stark machte – die Arbeiter und Bauern – sind inzwischen in der Minderheit. Richard McGregor (Autor von “The Party“) sagt, die KPCh ist „keine Arbeiter- und Bauernpartei mehr, sondern eine Partei der Manager und Geschäftsleute“. Viele Big Bosse sind Mitglied – zum Beispiel die die Firmengründer Jack Ma (Alibaba), Pony Ma (Tencent), Liu Chuanzhi (Lenovo) und Ren Zhengfei (Huawei). Die KP Chinas ist eine der erfolgreichsten Parteien der Welt, wenn man Erfolg in Regierungsjahren misst. Keine Partei war länger an der Macht, nämlich fast 72 Jahre seit Gründung der Volksrepublik im Oktober 1949. Die andere große kommunistische Partei – die KPdSU – brachte es auf rund 70 Jahre, ehe sie 1990 im Orkus der Geschichte verschwand. Die chinesische Führung hat sehr genau den Niedergang der Schwesterpartei studiert und Lehren daraus gezogen. Die wichtigste: Politische Reformen gefährden das herrschende Monopol der KP. Wirtschaftsreformen ja, aber keine politischen Reformen. Gerade der derzeit amtierende KP-Chef Xi Jinping handelt entschlossen nach dieser Devise und regiert immer autoritärer und repressiver. So ist in den vergangenen Jahrzehnten ein hybrides System entstanden, das es nach den Lehrbüchern des Westens gar nicht geben dürfte. Wir dachten immer, Demokratie und Marktwirtschaft gebe es nur im Doppelpack. Und nun beweist China, dass man auch in einem autoritären politischen System erfolgreich wirtschaften kann, indem man marktwirtschaftliche Elemente in das Wirtschaftssystem integriert. Letztendlich legitimieren die wirtschaftlichen Erfolge – gemessen in Wachstumszahlen – die Herrschaft der KP, die ja keinerlei demokratische Legitimation hat. Nur wenn es die Parteiführung schafft, dass es der Bevölkerung jedes Jahr wirtschaftlich besser geht, wird sie ihre Monopolstellung behalten. Wenn sie aber dieses Versprechen nicht mehr einlösen kann, wird sie ein Problem haben, ein großes sogar (siehe dazu das folgende Interview mit Professor Klaus Mühlhahn).
Info:
Eine informative 12teilige Serie über die KP in der South China Morning Post kann man hier nachlesen: https://www.scmp.com/news/china/politics/series/3132888/chinas-communist-party-everything-you-need-know?utm_medium=email&utm_source=mailchimp&utm_campaign=enlz-gme_scmp_focus_row&utm_content=20210626&tpcc=enlz-scmp_focus_row&MCUID=db2f0077ef&MCCampaignID=b557cb4998&MCAccountID=7b1e9e7f8075914aba9cff17f&tc=38
Der Thinktank MERICS macht sich in der Studie „The CCP’s next century: Expanding economic control, digital governance and national security” Gedanken über die Zukunft der KP Chinas: https://merics.org/sites/default/files/2021-06/MERICSPapersOnChinaCCP100_2.pdf
Der Staatssender CCTV-Serie startete am 20. Juni eine 24teilige Jubelserie über die KP. Hier der erste Teil: https://www.youtube.com/watch?v=yCajBMBvY0U