Als sich 1972 die USA unter Richard Nixon China annäherten, taten sie das nicht aus plötzlich entdeckter Nächstenliebe. Es war vielmehr strategisches Kalkül. Der Westen war mitten im Kalten Krieg mit der UdSSR. China und die Sowjetunion waren sich damals spinnefeind. Also sagten sich die Amerikaner: Der Feind meines Feindes ist mein Freund und nahmen mit der Volksrepublik China diplomatische Beziehungen auf und opferten dafür Taiwan. Nun versuchen die Amerikaner ein neues geostrategisches Spielchen. Jetzt ist China der Feind. Der ist allerdings mit Russland verbandelt. Also könnte man – so das Kalkül – die Freunde gegeneinander ausspielen. Natürlich wird diese Strategie nicht offiziell verkündet. Man lässt erst einmal jemanden vordenken. Zum Beispiel Charles Kupchan, Forscher beim CFR (Council on Foreign Relations) und der Georgetown University. In seinem Aufsatz “The Right Way to Split China and Russia” empfiehlt er – so der Untertitel – “Washington Should Help Moscow Leave a Bad Marriage “. Kupchan schreibt zwar, dass die Bande zwischen China und Russland auf den ersten Blick sehr stark seien, aber eben nur auf den ersten Blick: „There are cracks beneath the surface“. Er sieht eine sehr ungleiche Partnerschaft – nennt sie ein „odd couple“ – zwischen China und Russland, das in vielen Bereichen von dem großen Nachbarn abhängig sei. Um diese Abhängigkeit zu verringern, empfiehlt Kupchan, dass die USA, aber auch andere westliche Staaten, Russland stärker unterstützen sollen – vor allem wirtschaftlich: “The United States and its partners should also indicate that they are prepared to help Russia combat climate change and transition its economy away from its dependence on fossil fuels.” Das sind völlig neue Töne gegenüber Russland. Wird so auch zumindest teilweise in der Biden-Administration gedacht? War gar das Genfer Treffen zwischen Biden und Putin der Beginn einer neuen Russland-Strategie der Amerikaner?
Info:
https://www.foreignaffairs.com/articles/united-states/2021-08-04/right-way-split-china-and-russia