In Deutschland gibt es an vielen Universitäten, aber auch an einigen Fachhochschulen die Möglichkeit Sinologie oder sogenannte Kombi-Studiengänge – meist mit Wirtschaft – zu studieren. Die Unis haben dabei unterschiedliche Schwerpunkte. Manche lehren vorwiegend das moderne China, manche eher das alte China, die meisten beides. In dieser Serie werde ich die sinologischen Abteilungen an den deutschsprachigen Universitäten und ihre Geschichte, ihre Schwerpunkte und ihre Lehrenden vorstellen. Heute an der Reihe: die Universität Göttingen.
Die Geschichte: Göttingen war eine der ersten deutschen Universitäten, die ein sinologisches Seminar einrichteten. Das war 1925 unter Erich Haenisch, der allerdings kurze Zeit später nach Leipzig wechselte. Unter Gustav Haloun erlebte die Göttinger Sinologie ihre erste Blütezeit, die jedoch verwelkte, als sich Haloun weigerte der NSDAP beizutreten und nach Cambridge emigrierte. In der Nachkriegszeit war dann Hans O. H. Stange die prägende Figur. Er lehrte bis 1972. Ihm folgten unter anderen Erhard Rosner und Helwig Schmidt-Glintzer. 2004 dann der Schock: Aus Kostengründen wurde der Studiengang der Sinologie eingestellt. Dieser Beschluss wurde im Frühjahr 2008 aufgehoben. Mit Geldern der südniedersächsischen Industrie schuf man einen Stiftungslehrstuhl, der mit Axel Schneider besetzt wurde.. Er kam von der niederländischen Leiden Universiteit mit ihrer renommierten Sinologie-Fakultät. Mit ihm erfolgte eine Neuausrichtung der Göttinger Sinologie, und zwar auf das Moderne China. Schneider sagt: „Wir decken China ab der späten Ming-Zeit ab. Das ist ein Sechstel der chinesischen Geschichte.“
Die Lehrenden: Derzeit hat Axel Schneider die Professur für moderne Sinologie inne. Neben ihm lehrt und forscht Dominic Sachsenmaier. Er ist Professor für Modernes China mit Schwerpunkt globalhistorische Perspektiven. Sachsenmaier war zuletzt an der Jacobs University in Bremen, davor an diversen amerikanischen Unis. Sascha Klotzbücher verwaltet derzeit die Professur für Gesellschaft und Wirtschaft Chinas, die derzeit vakant ist. Ebenfalls vakant ist die Professur für Fachdidaktik des Chinesischen. Diese hatte Andreas Guder inne, der ja inzwischen an der FU Berlin lehrt.
Das Studium: Seit dem Wintersemester 2008/09 sind wieder Bachelor-Studiengänge möglich – und das gleich in vierfacher Ausfertigung. Der Studiengang „Moderne Sinologie“ ist ein Mono-BA. „Der ist für die China-Freaks“, sagt Schneider. Dort wird sehr viel Wert auf eine enge Verbindung von intensiver sprachlicher und profunder inhaltlicher Ausbildung gelegt. Schneider: „Wir sagten von Anfang an: Unsere Sprachausbildung soll mit zu den besten gehören.“ Die Sprachlehrer sind ausschließlich Fachdidaktiker, die in kleinen Gruppen (sieben bis zehn Studenten) unterrichten. Im fünften Semester ist ein Auslandsaufenthalt obligatorisch. Zweiter Vorteil dieses Studiengangs in Göttingen: „Wir haben in der Inhaltslehre ein sehr breites Angebot“, erläutert Schneider. Im zweiten Bachelor-Jahr müssten die Studierenden drei Seminare absolvieren, aber angeboten würden 15 bis 20. Beim Studiengang „Modernes China“ ist die Sprachausbildung reduziert. Dort wird der Schwerpunkt auf Inhalte gelegt. Dieser Studiengang muss mit einem anderen Fach kombiniert werden. Neben diesen beiden gibt es noch zwei weitere Studiengänge, die sich ausschließlich mit Chinesisch als Fremdsprache beschäftigen. Der Mono-Studiengang „Moderne Sinologie“ hat den stärksten Zulauf, stellt Schneider fest. Überhaupt kann er nicht – wie andere Unis – von einem Rückgang der Studentenzahl berichten. Der Jahrgang 2020/21 sei sogar der stärkste seit dem Wiederbeginn der Sinologie in Göttingen. Auch der englischsprachige Master-Studiengang vermeldet steigende Studentenzahlen. Die Göttinger Absolventen brauchen sich wenig Sorgen um ihre berufliche Zukunft zu machen, meint Schneider: „Sie haben sehr gute Berufsaussichten, weil wir sehr breit aufgestellt sind und eine gute Sprachausbildung haben.“
Info:
Die Homepage der Sinologie in Göttingen: https://www.sinologie-goettingen.de/