Das zweiwöchige Frühlingsfest in China neigt sich gerade dem Ende zu. Für die offiziellen Medien ist das eine Zeit des Rückblicks. Sie erinnern dieser Tage unermüdlich an die „soliden Schritte“, die KPCh-Generalsekretär Xi Jinping zum „Aufbau des schönen Chinas“ eingeleitet hat. Eine Zitatsammlung Xis taucht dabei immer wieder auf. Zusammengestellt hat sie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua, die ihren Bürger und Bürgerinnen diese Dinge offenbar ganz besonders gründlich einbläuen will. „Grüne Berge, blaue Flüsse! Das schöne China in Xi Jinpings Herzen.“ lautet der Titel. Es trieft vor Pathos. „Meili Zhongguo“ (schönes China) ist einer der allgegenwärtigen Slogans unter Xi Jinping. Er geht Hand in Hand mit dem Aufruf zum Aufbau einer „ökologischen Zivilisation“.
Seit Xi 2012 zum Generalsekretär gewählt wurde, habe er für den „Aufbau der ökologischen Zivilisation und des schönen China“ viel getan, behauptet Xinhua. Es folgen unkommentiert und in umgekehrt chronologischer Reihenfolge zehn Zitate aus Reden, die Xi zwischen 2013 und 2022 gehalten hat. Eröffnet wird mit einem Zitat vom Weltwirtschaftsforum 2022: „Ich sage oft, dass wirtschaftliche Entwicklung nicht auf Kosten der Ressourcen oder der Umwelt gehen darf, und dass Umweltschutz nicht gleichbedeutend mit der Aufgabe der wirtschaftlichen Entwicklung ist. Das hieße auf Bäume zu klettern, um Fische zu fangen. China hält an dem Grundsatz fest: Klares Wasser und grüne Bergen sind ebenso wertvoll wie Gold und Silber. China fördert deshalb den integralen Schutz sowie die systematische Bewirtschaftung von Bergen, Flüssen, Wäldern, Feldern, Seen, Wiesen und Steppen. Mit aller Kraft treibt China den Aufbau einer ökologischen Zivilisation voran, stärkt entschieden Maßnahmen zur Kontrolle und Prävention von Umweltverschmutzung und tut alles, um die Produktions- und Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern.“ Mit einem Xi-Zitat aus dem Jahr 2013 schließt Xinhua ab: „Der Übergang in eine neue Ära der ökologischen Zivilisation sowie der Aufbau eines schönen Chinas sind wichtige Bestandteile bei der Verwirklichung des chinesischen Traums von der großen Wiederbelebung der chinesischen Nation.“
Das erinnert alles ein wenig an die Mao-Bibel, welche einfache Bauern zu stolzen Revolutionären erziehen sollte. Heute aber zielt das Übermaß an ökologischer Korrektheit in Chinas Medien wohl eher gegen die alte chinesische Sitte, zum Frühlingsfest Feuerwerk und Knaller zu zünden. Dabei sind Chinas Feuerwerke legendär und „Chinaböller“ auch bei uns seit Generationen im Einsatz. In China aber steckte bisher etwas mehr Wumms dahinter. Geknallt wird volle zwei Wochen lang. Ganze Städte verschwinden dann hinter den stinkenden Rauchwolken der Böller. Das Ganze hat eine lange Tradition. Schließlich erzählt die Legende vom hungrigen Monster, das zum Jahreswechsel aus den Bergen hinabsteigt und welches es mit Feuerwerk zu vertreiben gilt. Allen Legenden zum Trotz gibt es in Beijing und einigen anderen Städten nun schon seit Jahren ein Böller-Verbot. Die Verletzungsgefahr war schon früher Thema in den Debatten um die althergebrachte Neujahrstradition, heute geht es der Regierung dagegen vorrangig um die Umwelt. So wirbt das Nationale Zentrum zur Verhütung und Bekämpfung von Luftverschmutzung mit einem Video um Verständnis für das Böller-Verbot. Darin wird auf Gefahren beim Böllern hingewiesen, insbesondere auf die Feinstaubbelastung durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern. Im letzten Satz heißt es: „Lüse huanbao guo xinnian!“ In etwa: „Feiern Sie ein grünes Neujahrsfest!“
In Xuzhou (im Norden der Provinz Jiangsu nahe Shanghai) gilt ebenfalls ein Feuerwerksverbot. Eine jährliche Bekanntmachung der Behörden erneuert dort seit 2018 jährlich das Verbot. In der Bekanntmachung von 2022 heißt es: „Gemäß den tatsächlichen Erfordernissen der städtischen Luftreinhaltung und -kontrolle wird in den Vorschriften auf der Grundlage der ursprünglichen Bekanntmachung weiterhin klargestellt, dass Feuerwerkskörper und Knaller im gesamten Stadtgebiet verboten sind.“ Weiter wird darauf verwiesen, dass Verstöße gegen das Verbot geahndet und bestraft werden. Dies sei, so wörtlich, nötig um „das Maß der städtischen Zivilisierung zu erhöhen“, sowie für eine „saubere, schöne, zivilisierte und harmonische städtische Umwelt“. Auf Stadt- und Distriktebene, sowie auf Ebene der Nachbarschaftskommittees sollen Einheiten entstehen, die die Einhaltung der Verbote kontrollieren. Dabei soll das Gesetz „strikt umgesetzt“ und während der Feiertage „durchgängig auf den Straßen patrouillieret“ werden, um Verstöße frühzeitig zu erkennen und frühzeitig einzugreifen.
Auch eine Bekanntmachung des Bezirks Shijingshan inn Beijing bittet die Bürger um aktive Hilfe bei der Durchsetzung des Böller-Verbots. Restbestände seien “umgehend” in der lokalen Polizeidienststelle abzugeben. Auch hier der Hinweis “Feuerwerk und Böller können schwere Umweltverschmutzung verursachen, sowie Smog hervorrufen. Sie stellen außerdem eine Lärmbelästigung dar und erhöhen die Brandgefahr“. Es folgt der Slogan: „Blauer Himmel, weiße Wolken für die olympischen Winterspiele. Für ein zivilisiertes und friedvolles Neujahrsfest.“
Dies alles sind kleine Schritte auf dem Weg zu einer ökologischen Zivilisation. Und manche ziehen tatsächlich mit. Frau Li aus Beijing (Name geändert) sagt jedenfalls über die Feierlichkeiten zum Neuen Jahr des Tigers das Feuerwerk habe ihr nicht gefehlt. „Unsere wichtigste Tradition ist ohnehin das Essen“, sagt sie, und es klingt fast so als wollte sie sagen „wer braucht da noch Feuerwerk?“ Wie schwer es dem Einzelnen in China auch fallen mag das traditionelle Knallen zu Neujahr aufzugeben, eines ist jedenfalls klar: In Peking ist die Luft zum Frühlingsfest neuerdings sauber. Die Medien sprechen sogar von „Rekordwerten“. Und damit sind ausnahmsweise mal Niedrigstwerte gemeint.
Info:
Das Video für ein Grünes Neujahr gibt es hier: https://new.qq.com/omn/20211203/20211203A0D7EI00.html;