Wenn Politiker im Westen von Menschenrechten reden, meinen sie meist politische Menschenrechte, als da sind zum Beispiel das Recht auf freie Meinungsäußerung, die Rechte der Minderheiten und die Abschaffung der Todesstrafe. Diese (Über-)Betonung der politischen Menschenrechte findet sich auch in dem Papier des Schweizer Bundesrates „China-Strategie 2021-2024“. Das sei jedoch „ein enges Menschenrechtsverständnis“, kritisiert Harro von Senger (77) in einem Beitrag für das Magazin „Bilanz“. Harro von Senger ist einer der profiliertesten Sinologen, der vor allem durch seine Bücher über Sun Zi und die 36 Strategeme berühmt wurde. Von Senger, der zuletzt in Freiburg lehrte und in der Schweiz lebt, ist aber nicht nur Sinologe, sondern auch Jurist, Völkerrechtler, um genau zu sein. Er kennt die einschlägigen Texte. Zum Beispiel den UNO-Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Darin Artikel 11: „Die Vertragsparteien erkennen das Recht eines jeden auf einen angemessenen Lebensstandard für sich und seine Familie an, einschließlich ausreichender Ernährung, Bekleidung und Unterbringung sowie auf eine stetige Verbesserung der Lebensbedingungen.“ Innerhalb weniger Jahrzehnte haben sich in China Hunderte von Millionen Menschen aus der Armut befreien können. China habe damit einen wesentlichen Beitrag zur globalen Armutsbekämpfung geleistet. Das wird in dem Schweizer Strategiepapier auch erwähnt. Aber – so fragt von Senger: „Warum anerkennt der Bundesrat diese Leistungen nicht als menschenrechtliche Erfolge?“ Genauso fragt er, warum die Seidenstraßen-Initiative der Chinesen nur negativ gesehen wird: „Könnte man dieses Projekt trotz aller Fragezeichen daher nicht grundsätzlich auch als ein globales Menschenrechtsprojekt betrachten, das auf die Umsetzung wirtschaftlicher Menschenrechte und des Rechts auf Entwicklung zielt?“ Fragen über Fragen. Bern antwortet nicht.
Info:
Den Artikel von Harro von Senger gibt es hier: https://www.handelszeitung.ch/bilanz/verfehlte-china-strategie