Wu Wei war 28 Jahre alt, als er am frühen Nachmittag des 21. Februar in einem Krankenhaus in Beijing starb. Zwei Tage zuvor war er im Gym des Internetunternehmens ByteDance (der Mutterkonzern von TikTok) zusammengebrochen. Sofort kam wieder eine alte Diskussion über ein Dauerthema hoch – die Überlastung (oder muss man Ausbeutung sagen) junger Beschäftigter in den chinesischen Tech-Konzernen. Die Diskussion firmiert unter dem Zahlenkürzel 996, was bedeutet, dass man von 9 Uhr morgens bis 9 Uhr abends arbeiten soll/muss, und das an sechs Tagen die Woche. Manche nennen diesen Zustand der Ausbeutung auch „eating people“ (chi ren). Der Tod von Wu Wei ist ja kein Einzelfall. In unschöner Regelmäßigkeit sterben junge Chinesen bei oder nach der Arbeit. Meist waren sie in einem der vielen Tech-Konzerne beschäftigt. Kurz vor Wu Wei wurde der Tod eines 25jährigen Content Managers beim Videosharing-Unternehmen Bilibili vermeldet. Meist gibt es nach diesen tragischen Ereignissen jeweils einen millionenfachen Aufschrei in den sozialen Medien. Aber passiert denn danach gar nichts? Zieht man denn keine Lehren aus diesen Fällen? Doch, aber sehr langsam. Manch junge Mitarbeiter mucken auf, wie zum Beispiel der 25jährige Zhang Yifei, der bei Tencent als Programmierer arbeitet. Er machte seine Kündigung wegen zu vieler Arbeitsstunden öffentlich und wurde dadurch zu einer Internet-Sensation. Auch die Behörden kümmern sich nur gemächlich um das Problem. So hatte kürzlich das Beijing Human Resources and Social Security Bureau dem Online-Reiseportal Qunar eine Strafe aufgebrummt, weil es Mitarbeiter an Feiertagen zur Arbeit gezwungn hatte. Naja, aufbrummen kann man die Strafe nicht nennen, denn die 3250 Yuan (rund 513 Dollar) zahlt der Konzern aus der Portokasse. Aber immerhin ist das Problem-Bewusstsein bei den Tech-Unternehmen offenbar gestiegen. Einige bemühen sich um Lösungen, die Arbeitszeiten zu reduzieren. Bytedance und Kuaishou beendeten zum Beispiel den Rhythmus „long week, small week“, nach dem jede zweite Woche sechs Tage gearbeitet werden musste. Ganz neu ist die Einführung des Home Office. Vorreiter ist hier das führende Online-Reiseportal trip.com. Als erstes Tech-Unternehmen startet es im März mit einem neuen Arbeitszeitmodell. Danach dürfen Mitarbeiter – nach Absprache mit den Vorgesetzten – zwei Tage (mittwochs und freitags) von zuhause arbeiten. Vorausgegangen war im vergangenen Jahr ein Modellversuch, bei dem das Unternehmen sogar eine Steigerung der Produktivität der „Heimarbeiter“ feststellen konnte. James Liang, Executive Chairman des Konzerns, erklärte in einer Pressemitteilung: „We hope that hybrid work models will be promoted more across mainstream Chinese companies in the future, which will have a positive and far-reaching impact on society and economy.”
Info:
Pressemitteilung von Trip.com: https://us.trip.com/newsroom/trip-com-group-launches-hybrid-work-policy-as-75-of-employees-report-improved-wellness/ Hier ein Beitrag aus Sixth Tone zum Thema: