Wir kennen den deutschen Blick auf China, aber wir wissen wenig darüber, wie in anderen europäischen Ländern die aufstrebende Macht aus Fernost gesehen und diskutiert wird. In der heute startenden lockeren Serie „Europäische Stimmen zu China“ sollen deshalb Autoren, Politiker und Wissenschaftler aus verschiedenen europäischen Ländern zu Wort kommen, um ihre Perspektive auf China zu beschreiben.
Wir beginnen die Serie mit dem italienischen Spitzendiplomaten und Chinakenner Alberto Bradanini. Er studierte Politikwissenschaften an der Universität La Sapienza in Rom, war Generalkonsul in Hongkong, Botschafter im Iran und in China. Er ist Mitbegründer und Vorsitzender des Zentrums für zeitgenössische Chinastudien (Centro Studi sulla Cina contemporanea). Er ist Autor von “Oltre la Grande Muraglia” (2018) [Jenseits der großen Mauer] und “Cina. Lo sguardo di Nenni e le sfide di oggi” (2021) [China. Nennis Vision und die Herausforderungen von heute]. Im vergangenen Monat erschien sein neuestes Buch “Cina. L’irresistibile ascesa” (2022) [China. Der unwiderstehliche Aufstieg]. In einem Interview mit CHINAHIRN schildert Bradanini die italienische Sicht auf China.
CHINAHIRN: Herr Bradanini, Sie waren von 2013 bis 2015 italienischer Botschafter in Beijing und haben seitdem den Kontakt zu China nie verloren, mehr noch, Sie schreiben viele Bücher über Ihr altes Gastland. Was treibt Sie dabei an?
Alberto Bradanini: Die Gründe für das Schreiben eines Buches sind immer ähnlich. Einige sind narzisstischer Natur. Andere haben mit dem Wunsch zu tun, sich selbst darüber klar zu werden, was wir von der Welt verstehen, einer komplexen Welt, in der wir danach streben, unserer Existenz einen Sinn zu geben. Nachdem ich zehn Jahre meines Lebens in China verbracht habe, glaube ich, etwas von diesem Universum verstanden zu haben. Im Vorwort meines Buches beziehe ich mich auf Steven Hawkings, der zu sagen pflegte: “Der Feind des Wissens ist nicht die Unwissenheit, sondern die Illusion des Wissens”. Denn wir glauben oft etwas zu wissen, wissen aber im Grunde kaum etwas. Zumindest nicht in dem Maße, wie es notwendig wäre. Was das Buch betrifft, so glaube ich, dass es in Italien erstaunlich gut aufgenommen wurde, obwohl es ein Nischenbuch ist, das sich an Leser richtet, die an einer umfassenden Sicht auf China interessiert sind, und zwar aus einem anderen Blickwinkel als dem der üblichen westlichen Darstellung. Für diese andere Perspektive haben wir häufig weder die Zeit, noch die Kapazität und vielleicht nicht einmal das Mindestwissen. Doch China hat meiner Meinung nach ein Recht darauf, auf seine eigene Weise zu gedeihen und sich zu entwickeln, und nicht notwendigerweise auf der Grundlage unserer Werte und Prinzipien. Und deshalb bedarf es von unserer Seite auch dieser anderen Perspektive. Das ist die These, die ich in meinem Buch entwickle.
CHINAHIRN: Wie reagieren ihre italienischen Leser darauf?
Bradanini: Ich habe keine Komplimente erwartet. Aber in den Reaktionen wird eine Sichtweise gewürdigt, die sich vom Fernsehen und den großen Zeitungen unterscheidet. Das ist nicht schwer. Die italienischen Medien folgen im Grunde dem Kernnarrativ, dass China eine Bedrohung für den Westen ist. Der Mainstream glaubt, wir seien das Reich des Guten und der Rest der Welt sei das Reich des Bösen. Wir leben gewissermaßen unter der Herrschaft dieser großen Lüge. Eine Lüge, die die Fähigkeit jedes Einzelnen, selbstständig zu denken und zu verstehen, beschneidet. Das hat nicht ausschließlich, aber doch auch mit China zu tun.
CHINAHIRN: Wie wird denn China in Italien diskutiert? Als Teil des Reichs des Bösen?
Bradanini: Die Regierungsparteien folgen der atlantischen Direktive aus Washington und, was die Wirtschaftspolitik betrifft, den Ansagen aus Brüssel, Berlin und Paris. Die Geschäftswelt hat hingegen eine pragmatischere und weniger von außen beeinflusste Wahrnehmung von China. Aber die sie vertretenden Manager sind nicht in der Lage, die historische, ideologische oder institutionelle Dimension Chinas im Kontext unserer Zeit konzeptionell herauszuarbeiten.
CHINAHIRN: Wäre das nicht auch zu viel verlangt?
Bradanini: Sicherlich, aber die Medien könnten hier einen Beitrag leisten. Stattdessen wird China In den italienischen Medien fast ausschließlich als Bedrohung dargestellt – ein Narrativ, das im Wesentlichen amerikanischen Ursprungs ist und auch damit zu tun hat, dass unsere großen Medien von amerikanischen Unternehmen abhängig sind.
CHINAHIRN: Sieht die italienische Wissenschaft das anders?
Bradanini: Die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen Italien und China ist so gering, dass sie mir nicht relevant erscheint. Italien ist hier politisch und finanziell kein souveränes Land.
CHINAHIRN: Dennoch gilt der China-Thinktank, den Sie leiten, in Italien als einflussreich. Wo finden Sie Zuspruch?
Bradanini: In den sozialen Medien ist alles anders. Sie lassen hoffen, dass ein Wandel möglich ist. Sie bieten die Möglichkeit einer offenen Diskussion und einer tiefgehenden, nicht vom Mainstream dominierten Analyse dessen, was wir heute wirklich mit China erleben. Nicht nur Italien braucht dringend so eine Diskussion, glaube ich.
CHINAHIRN: Was erleben wir denn Ihrer Meinung nach heute mit China?
Bradanini: Wir erleben einen neuen historischen Moment mit China. Der italienische kommunistische Philosoph Antonio Gramsci hat gesagt, dass manche historischen Momente eine spezielle soziale Bewegung hervorbringen. Andere wiederum legen spezielle politische Positionen fest. In solchen historischen Momenten sind die Menschen oft besonders sensibel für die eigenen Grundbedürfnisse, die sie als gefährdet empfinden.
CHINAHIRN: Sie glauben, dass die Italiener um ihre Grundbedürfnisse fürchten, wenn sie heute an China denken?
Bradanini: Die große Mehrheit der Italiener stellt keine Fragen zu China. Nur diejenigen, die mit China Handel betreiben oder in China investieren, sind interessiert daran, was dort vor sich geht. Sonst wird China nur dann zu einem Thema, wenn etwas passiert, das mediales Interesse erregt. Dann aber herrscht das Leitmotiv: China gegen den Westen.
CHINAHIRN: Italien engagiert sich für die Belt-and-Road-Initiative (BRI). Wird dieses Engagement jetzt hinterfragt?
Bradanini: Das italienische Engagement für die BRI ist nur eine Fassade. Die Absichtserklärung, die im März 2019 unterzeichnet wurde, entbehrt jeglicher konkreter Verpflichtungen von italienischer oder chinesischer Seite. Außerdem verhinderten amerikanische und deutsch-französische Bedenken eine Konkretisierung der italienisch-chinesischen Vereinbarung.
CHINAHIRN: Bedauern Sie das?
Bradanini: Diejenigen, die wirklich enge Wirtschaftsbeziehungen zu China unterhalten, sind die USA, Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich, aber nicht Italien. Italien verfügt über einen bilateralen Handel mit China im Wert von 54 Milliarden Euro und fährt damit ein riesiges Defizit ein, das zwischen 23 und 24 Milliarden Euro beträgt. Doch das sind nur die offiziellen Zahlen. Genauere Angaben sind nicht verfügbar, weil man in der Handelsbilanz den Hafen von Rotterdam nicht berücksichtigt, der auch Italien bedient. Auf der anderen Seite gibt es auch in Hongkong einen großen Hafen, der China mit ein- und ausgehenden Waren bedient und den die offiziellen Statistiken ebenfalls verschweigen. Diese Ungenauigkeit der Berechnungen trifft für viele europäische Länder zu. Aus meiner Sicht symbolisieren diese ungenauen Angaben, wie wenig Bedeutung man dem italienisch-chinesischen Handel schenkt und das bedauere ich in der Tat sehr.
CHINAHIRN: Italien hat als einziges G7-Land ein Memorandum of Understanding im Rahmen der chinesischen BRI-Initiative unterschrieben. Ist das wirklich so bedeutungslos?
Bradanini: Es bedeutet jedenfalls nicht, dass Italien mit der Außenwirtschaftspolitik der EU oder anderen westlichen Position gegenüber China gebrochen hat. Dieses Memorandum hat auch nur deshalb Wirbel ausgelöst, weil die italienische Regierung zum Zeitpunkt der Unterzeichnung europa-skeptisch war. Manche Kommentatoren in den USA haben das dann so ausgelegt, als wolle China Italien übernehmen. Völliger Unsinn! Inzwischen ist das aber längst wieder in Vergessenheit geraten.
CHINAHIRN: Es gab damals auch in der EU viel Kritik am italienischen BRI-Engagement. War das für Sie ein Beweis, dass die vielen unterschiedlichen Interessen innerhalb der EU eine gemeinsame europäische China-Strategie ausschließen?
Bradanini: Jedes Land in Europa hat seine eigenen Beziehungen zu China. Das ist vernünftig. Was Irland oder Spanien mit China machen, ist anders als das, was Deutschland mit China macht. Und ich bin sehr dafür, dass jedes europäische Land seinen Handel und seine Investitionen mit China fördert und ausbaut. Doch es gibt insgesamt ein großes Ungleichgewicht. Das bestehende Handelsdefizit zwischen China und der EU beläuft sich jedes Jahr auf etwa 250 Milliarden Euro, gegenüber einem Importvolumen von etwa 700 Milliarden Euro. Dieses Defizit ist eine riesige Summe. Hier geht es um Abertausende von Arbeitsplätzen, die Europa jedes Jahr verliert. Dieses Problem müsste die Europäische Kommission stärker angehen. Doch das liegt nicht im Interesse der nordeuropäischen Länder.
CHINAHIRN: Das klingt, als sei die EU über China zerstritten. Hat sie aber nicht im Umgang mit China ein viel größeres Gewicht als jeder einzelne EU-Staat?
Bradanini: Da gebe ich Ihnen Recht. Und es wäre ideal, wenn wir China gegenüber einheitlich auftreten könnten. Das ist aber nicht der Fall. Jeder versucht doch, auch mit Blick auf Peking, zuerst seine eigenen nationalen Interessen zu wahren.
CHINAHIRN: Sie sprechen da aus Ihrer Erfahrung als italienischer Botschafter. Als Sie in Peking Botschafter waren, kam Xi Jinping an die Macht. Wie sehen Sie heute die Entwicklung Chinas unter Xi?
Bradanini: Ich sehe vor allem Kontinuität. Peking geht es um die Fortsetzung eines langjährigen Wachstumspfades. Die kommunistische Führung Chinas ist der Meinung, dass die politische Souveränität, die in China von Mao Zedong mit der Ausrufung der Volksrepublik China im Jahr 1949 erreicht wurde, nicht ausreicht, um wirklich unabhängig zu sein. Nach dem Tod von Mao 1976, also im Zuge der Machtübernahme durch Deng Xiaoping, hat Chinas Führung verstanden, dass nur eine solide und nachhaltige Wirtschaft die volle Souveränität einer Nation garantieren kann. Der Kolonialismus, der mit der politischen Unabhängigkeit von 1949 verjagt wurde, ist immer bereit, unter dem Namen des Neokolonialismus durch die Hintertür zurückzukommen. Daher die chinesische Sorge vor der Ausbreitung internationaler Konzerne, die durch militärische oder finanzielle Macht vom Westen unterstützt werden. Das ist für Peking der entscheidende Punkt: Wirkliche staatliche Souveränität basiert auf zwei Kernelementen. Erstens politischer Souveränität, unabhängigen Institutionen usw. Zweitens solidem Wachstum. Wer keine solide Wirtschaft hat, ist Invasionen unterschiedlichster Art ausgesetzt. Vor allem im Finanzbereich. Aber ohne Wachstum lässt sich für Peking auch keine vernünftige Struktur der Landesverteidigung aufbauen.
CHINAHIRN: Sehen Sie in Xi Jinpings Politik mithin die Fortsetzung von Deng Xiaopings Reform- und Öffnungspolitik? Viele Experten glauben doch, dass Xi Dengs Reformpolitik hinter sich lassen will und seine Politik gerade deshalb zu einer Bedrohung für den Westen wird.
Bradanini: Xi ist sowohl der Präsident Chinas als auch der Vorsitzende der Militärkommission und gleichzeitig der Generalsekretär der Kommunistischen Partei. Diese drei Aufgaben machen ihn sehr stark – stärker als seine Vorgänger Hu Jintao und Jiang Zemin. Aber wir dürfen China nicht wie eine westliche oder, sagen wir, wie eine lateinamerikanische Diktatur betrachten. China wird von der Kommunistischen Partei regiert. Die Kommunistische Partei besteht aus mehr als 95 Millionen Menschen, die Mitglieder dieser riesigen Organisation sind. Außerdem gibt es 81 Millionen junge Chinesen, die Mitglieder der kommunistischen Jugend sind. All diese Mitglieder wählen natürlich nicht. Sie wählen nicht ihre Führer, aber sie haben Einfluss. Wir dürfen uns das nicht so vorstellen, als wäre diese riesige Mitgliederzahl völlig passiv und nähme alles hin, was von oben kommt. Es gibt in der Partei sehr intensive Diskussionen über sehr unterschiedliche Themen. Man kann natürlich immer sagen, dass die Masse der Parteimitglieder nicht zählt, wenn es um endgültige Entscheidungen geht. Das ist richtig. Dennoch nimmt die Führung die Parteimitglieder wahr. Ihre Politik ist das Ergebnis von Synergien und Meinungsaustausch innerhalb der immens großen Parteiorganisation. Xi Jinping ist dann derjenige, der die Entscheidungen dieses Apparats repräsentiert.
CHINAHIRN: Aber Xi ist nicht nur der Erfüllungsgehilfe seiner Partei?
Bradanini: Nein, er kann die Entscheidungen der Partei aufgrund seiner persönlichen Machtfülle stark beeinflussen. Dabei ähnelt er eher Mao Zedong als Deng Xiaoping, was meiner Meinung nach nicht gut für China ist. Deng würde vorschlagen, dass China in aller Stille wachsen solle. Er würde sagen, das Land sei zu groß, es schüchtere die Welt ein. Dagegen würde Xi Jinping heute vermutlich sagen, dass China bereits Großmacht sei, und zwar in jeglicher, auch militärischer Hinsicht.
CHINAHIRN: Wäre das denn aus Ihrer Sicht falsch?
Bradanini: Im Vergleich zur amerikanischen Supermacht ist China, insbesondere was seine militärischen Fähigkeiten betrifft, nach wie vor ein Zwerg und für andere Länder kein Grund zur Sorge. Natürlich baut auch China sein Militär aus. Doch das steht im Verhältnis zu seinem Wirtschaftswachstum. Letzten Endes glaube ich nicht, dass China eine Bedrohung für den Rest der Welt darstellt.
CHINAHIRN: Das glaubten viele von uns bezüglich Russlands auch nicht. Weshalb sollten wir uns in China nicht täuschen?
Bradanini: Wenn es zu einem Konflikt kommt, in den China verwickelt ist, wäre das erste Opfer der internationale Handel. Dann würde Chinas goldene Henne, wie man so sagt, geschlachtet werden. Diesen Schaden fürchtet die chinesische Führung sehr wohl.
CHINAHIRN: Viele spekulieren, dass der wachsende Nationalismus in China in Zukunft die wirtschaftlichen Interessen überwiegen und zu einer Invasion Taiwans führen kann.
Bradanini: Ich glaube, wer so denkt, weiß nicht, wovon er redet. Das läge mitnichten im Interesse Chinas. Natürlich spekulieren die Amerikaner, dass China Taiwan angreift. Damit würde China selbst sein Wirtschaftswachstum stoppen. Damit fiele der eigentliche Konkurrent der Vereinigten Staaten, der eben nicht Russland ist, aus. Aber China wird den USA diesen Gefallen nicht tun.
CHINAHIRN: Demnach dürfte für Sie Chinas Rolle im Ukraine-Krieg nur sehr begrenzt sein.
Bradanini: Ich denke, dass der Ukraine-Krieg China sehr beunruhigt. Das Land ist zwischen zwei Positionen hin- und hergerissen. China ist stark mit Russland verbunden. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Russland haben eine strategische Dimension. Es geht nicht nur um die Bedeutung der Handelsbilanz in der Höhe von 146 Milliarden Dollar. China importiert Öl und Gas aus Russland auf dem Landweg. Sie importieren also Energie von strategischem Wert, da Öl und Gas nicht durch von der amerikanischen Marine kontrollierte See- und Landgebiete fließt. Gleichzeitig importieren sie auch Waffen aus Russland – und nicht umgekehrt, wie manche Erzählungen glauben machen wollen. China hat aber auch eine enge und wichtige Beziehung zum Westen. Daher muss Peking diese beiden unterschiedlichen Interessen abwägen.
CHINAHIRN: Gerade weil China mit beiden Seiten im Ukraine-Krieg verbunden ist, trauen Militärexperten Peking eine Vermittlerrolle zu. Stimmen Sie zu?
Bradanini: Trotz der enormen wirtschaftlichen Interessen, die China mit dem Westen verbindet, sehe ich nicht, dass China bestrebt sein wird, eine Vermittlerrolle im Ukraine-Krieg zu übernehmen. Die chinesische Führung ist der Meinung, dass diese Krise von den Ukrainern und den Russen verursacht wurde. Aus ihrer Sicht tragen die Vereinigten Staaten aufgrund der NATO-Osterweiterung eine historische Verantwortung für den Krieg. Warum also sollte China für den Westen nach einem Ausweg suchen? Eher wird Peking darin eine Falle sehen.
CHINAHIRN: Wieso eine Falle? China könnte großes Prestige nach einer erfolgreichen Vermittlung gewinnen.
Bradanini: Die Amerikaner würden hoffen, dass sich die Chinesen im Fall einer Vermittlung mit Russland überwerfen. Das liegt nicht im chinesischen Interesse.
CHINAHIRN: Wie sehen Sie die langfristigen Folgen des Ukraine-Kriegs für China?
Bradanini: Wir werden abwarten müssen, bis dieser Krieg zu Ende ist, bevor wir ein Fazit ziehen. Die Geschichte lehrt uns, dass man Kriege nie vorhersagen kann.
CHINAHIRN: Sehen Sie eine mögliche Bipolarisierung zwischen China und Russland auf der einen, und den USA und Europa auf der anderen Seite?
Bradanini: In Zukunft wird die Welt viel multipolarer sein. Nicht mehr bipolar. Und sie wird immer weniger unipolar sein. Morgen werden wir Länder wie die lateinamerikanischen oder afrikanischen Länder, Indien und China auf der internationalen Bühne erleben. Sie werden diese Welt immer stärker mitgestalten. Der einzige Kontinent, der in diesem Szenario fehlt, ist Europa. Denn im Vergleich zu Amerika, China oder Indien ist selbst Deutschland ein kleines Land. Oder nehmen Sie Frankreich: Es hat mit einer Menge innenpolitischer Probleme zu kämpfen. Ich bezweifle, dass Frankreich und Deutschland noch die Kraft haben werden, auf der internationalen Bühne eine wichtige Rolle zu spielen.