WIRTSCHAFT I Konzerne gehen ihren eigenen Weg

Für Martin Brudermüller, Chef des Chemiekonzerns BASF, wurde sogar eine Ausnahme von den rigiden Quarantänebestimmungen gemacht. Zu wichtig war sein Besuch für Chinas Regierung in diesen Zeiten der Funkstille zwischen China und Deutschland. So durfte Brudermüller zu einem Kurztrip nach Zhanjiang in der südlichen Provinz Guangdong einreisen. Dort weihte er am 6. September die erste Fabrik eines riesigen Verbundstandortes der BASF ein. Nach und nach soll dort bis 2030 sozusagen ein Mini-Ludwigshafen entstehen. Kosten: Rund zehn Milliarden Euro. Die BASF, die in China rund 12 Milliarden Euro Umsatz erzielt, setzt also weiterhin auf den chinesischen Markt. Langfristig gesehen seien die Triebkräfte des Wirtschaftswachstums in China weiterhin überzeugend, sagt Brudermüller. Die BASF sei gut positioniert, um von diesen Trends zu profitieren.

Die BASF ist nur ein Beispiel für das fortdauernde Engagement deutscher Unternehmen in China. Von wegen Abkoppeln oder Diversifizieren in andere Länder – wie es die deutsche Politik fordert. Auch die Autokonzerne halten an ihrem Engagement fest. Der neue VW-Chef Oliver Blume tritt zwar nicht so polternd wie Vorgänger Herbert Diess auf, bekennt sich aber weiterhin zum Standort China. Ihm sei wichtig, “dass wir in allen drei großen Absatzmärkten Europa, Nordamerika und China in etwa gleich gut aufgestellt sind”, sagte er gegenüber „Bild am Sonntag“.

Mit zunehmender Sorge betrachtet man auf den Konzernetagen die deutsche China-Politik, die sich ja demnächst in einer China-Strategie manifestieren und möglicherweise das Wirtschaften mit China erschweren wird. Entsprechende Pläne gibt es offenbar im Wirtschaftsministerium. Die Unternehmen geraten damit auch zusehends in einen Konflikt mit ihren Verbänden, die den Kurs der Regierung mehr oder weniger unterstützen. Immerhin hat sich ein Verbandsboss im Interesse der Unternehmen positioniert. Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, hält es für nahezu unmöglich, die wirtschaftliche Abhängigkeit von China kurzfristig zu verringern. “Das ist gar nicht vorstellbar”, sagte Wolf, der Chef des Automobilzulieferers ElringKlinger ist, der dpa. “Stellen Sie sich mal vor, wir schneiden plötzlich alles ab, was heute aus China nach Europa kommt. Das ist unvorstellbar.” Es werde häufig gesagt: “Was wir heute aus China alles beziehen, das beziehen wir dann halt woanders her. Ja, woher denn?”

Beistand bekommt Wolf von Hans-Werner Sinn, dem Altmeister der deutschen Ökonomen. Er sagte kürzlich in einem ZDF-Interview: „Wer den Handel mit China einschränken möchte, sägt den Ast ab, auf dem wir sitzen. Die Leidtragenden wären die einfachen Bürger, denn ihr Lebensstandard sänke erheblich.“

Info:

Kurz vor Redaktionsschluss schneite noch eine interessante Analyse der Rhodium Group herein. Darin untersuchten die Autoren Agatha Kratz, Noah Barkin, and Lauren Dudley das Investitionsverhalten europäischer Unternehmen in China. Ihr Ergebnis: ein paar wenige deutsche Konzerne sind besonders aktiv. Mehr hier: https://rhg.com/research/the-chosen-few/

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