POLITIK I Xi Jinping lebt und ist noch im Amt

Am Dienstag dieser Woche tauchte Chinas Präsident Xi Jinping in der Beijing Exhibition Hall auf, um eine Ausstellung mit dem Titel „Vorwärtskommen in der neuen Ära“ zu eröffnen. Darin werden die Erfolge in den vergangenen zehn Jahren unter Xi zur Schau gestellt. Ein Routinetermin, der eigentlich nur die Staatsmedien pflichtgemäß zu interessieren hat. Aber diesmal schaute fast die ganze Welt auf dieses Event. Denn Xi Jinping tauchte zum ersten Mal nach zehn Tagen wieder in der Öffentlichkeit auf.  Zehn Tage, in denen munter spekuliert wurde, was mit Chinas Führer los sei. Krank, Corona-infiziert oder gar verhaftet? Letzteres kulminierte am Samstag in Putschgerüchten. In den sozialen Medien war von Militärkonvois die Rede, die sich auf Beijing zubewegen, von massenhaft gestrichenen Flügen, von einem Xi Jinping unter Hausarrest. Plötzlich kam weltweit – zumindest in den sozialen Medien – eine sich kaskadenhaft verstärkende Aufgeregtheit auf. Per Hashtags wie #whereisxi und #chinacoup wurde heiß drauflos spekuliert. Kühlere und erfahrene Köpfe reagierten dagegen besonnen und erklärten, dass sich Xi nach seiner Rückkehr aus Zentralasien nur in der vorgeschriebenen zehntägigen Quarantäne befinde. Bill Bishop fühlte sich bemüßigt, sich ausnahmsweise am Sonntag sich mit einer Sonderausgabe seines Newletters Sinocism zu melden: „I think this round of rumors is BS.“ Ich musste kurz googeln, für was das Kürzel steht: Bull Shit. Bishop zitierte auch den Tweet des Spiegel-Korrespondenten Georg Fahrion, der das machte, was ein Journalist tun muss: vor Ort recherchieren. Er begab sich zum Eingangstor von Zhongnanhai, dem Regierungsviertel. Mit ironisch-süffisantem Ton teilte er per Twitter der Welt mit, was er mit eigenen Augen sah – nämlich nichts. Keine Demos, keine Panzer, nur fünf Wachen. O-Ton Fahrion: „Das ist das Xinhua-Tor, der Haupteingang zum Zhongnanhai-Gelände, wo die gesamte zentrale Führung, einschließlich Xi Jinping, residiert und arbeitet. Elite-Fallschirmjäger haben die Kontrolle über das Tor erlangt, geschickt getarnt als die fünf Typen mittleren Alters, die dort immer stehen“. Die Gerüchte hatten offenbar ihren Ursprung in Indien und verbreiteten sich wunschdenkend weltweit über China-kritische Kanäle. In die chinesischen Staatsmedien gelangten sie natürlich nicht. Dort verbreitete man am Tag nach dem imaginären Putsch die Liste der Delegierten des 20. Parteitages, der am 16. Oktober beginnt. Unter den dort genannten 2296 Delegierten war auch ein gewisser Xi Jinping. Was nicht verwundert, denn er will ja für eine dritte Amtsperiode als KP-Chef wiedergewählt werden. Und das ist kein Gerücht.

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