HU IS HU? Rabea Glotz, Kinderbuchautorin in Shenyang

Es ist abends gegen 10 Uhr, als ich Rabea Glotz via Zoom erreiche. Ihre vier Kinder sind im Bett, ihr Mann ist auf Dienstreise. Jetzt hat sie Zeit über ihr Leben als aktive Expat-Frau in China zu plaudern. Familie Glotz lebt nicht in Beijing, nicht in Shanghai und auch nicht in Shenzhen, den üblichen Expat-Hochburgen. Nein, Familie Glotz lebt in Shenyang. Das ist eine Metropole im Nordosten des Landes. Dongbei  (dong=ost, bei=nord) heißt diese Ecke Chinas nahe Russland und Korea. Hier war einst die Schwerindustrie zuhause, die später dann – wie im Ruhrgebiet – daniederlag. Dongbei wurde zur Krisenregion. Investitionen abseits von Stahl & Co. waren willkommen. Zum Beispiel in der Autoindustrie. Der private Autobauer Brilliance startete in Shenyang. BMW beteiligte sich daran. Weil ihr Mann für BMW dorthin ging, kam Rabea Glotz 2012 für zwei Jahre nach Shenyang. Es war keine schöne Zeit. „Das lag nicht an China oder Shenyang“, sagt Glotz, „das lag an mir und meiner damaligen Situation. Damals war ich noch so verwurzelt, mir hat meine Familie, insbesondere mein Vater, so gefehlt.“ Sie war deshalb froh als es 2013 wieder zurück nach München ging. Doch ein paar Jahre später – der geliebte Vater war inzwischen verstorben – verspürte sie Fernweh: „Jetzt würde ich gerne nochmal weg“, sagte sie ihrem Mann, der dann prompt eines Tages mit der Frage nach Hause kam: „Wie wäre es nochmals mit China?“ Ihre erste Reaktion: „Nein, bin ich mit durch.“ Aber als ihr Mann sagte, es gehe nicht nach Shenyang, sondern nach Shanghai, änderte sie ihre Meinung. Es wurde dann aus Gründen, deren Aufzählung hier zu weit führen würde, doch wieder Shenyang. Dort sitzt sie nun seit 2019 und sagt: „Am liebsten würde ich bleiben, ich muss hier nicht mehr weg.“ Warum diese veränderte Einstellung zu Shenyang und zu China? Weil sie entschieden hat, mehr aus ihrem Leben als Expat-Frau zu machen. Sie sagte sich: „Ich muss wieder was für mich machen“. Und Rabea Glotz, die Englisch und Italienisch am Sprachen- und Dolmetscherinstitut (SDI) in München studiert hatte, dachte darüber nach, was sie immer gerne gemacht habe – und kam aufs Schreiben. Sie fing an Gedichte zu schreiben. Ihr Gedicht über das Neujahrsfest wurde immer länger. Ihren vier Kindern gefiel dies und irgendjemand riet ihr: Mach doch ein Kinderbuch draus. So entstand Basti, der Expat-Hund. Rabea Glotz ist aktive Tierschützerin: „Seit wir hier sind haben wir 12 Pflegehunde gehabt, und alle konnten vermittelt werden.“ Derzeit hat die Familie zwei Hunde. Ihr imaginärer Basti tappt durchs chinesische Leben und stellt Fragen. Diese beantwortet Rabea Glotz in ihren Büchlein. Jedes widmet sich nur einem Thema. Das erste war über das Chinesische Neujahrsfest, das zweite über das Drachenbootfest und das dritte – das Mitte Oktober erschienen ist – über das Essen in China. Auf jeweils 32 illustrierten Seiten trifft Basti auf einen Gesprächspartner, der ihm in den drei Sprachen Deutsch, Englisch und Chinesisch das jeweilige Thema erklärt. Zielgruppe waren ursprünglich die Expat-Kinder. Doch zur Überraschung von Glotz stellte sich heraus, „dass das Buch unter den Chinesen total beliebt war“. Viele chinesische Eltern seien ja erpicht darauf, dass ihre Kinder Sprachen lernen. Und mit diesen Bändchen gelingt das spielerisch. Um diese in China zu verkaufen, suchte sie einen chinesischen Verlag. Glotz: „Das war sehr, sehr schwer.“ Sie führte viele Gespräche, um am Ende viel Geld in die Hand zu nehmen, um die Kinderbücher selbst zu vertreiben. Weitere Titel in der Basti-Serie sind in Planung. Ebenso ein Buch mit Kurzgeschichten über das Essen in der Dongbei-Region. Ein chinesischer Verlag ist mit diesem Wunsch an sie herangetreten. „Ich bin damit fast fertig“, sagt sie. Die etwas deftige Dongbei-Küche – Kraut und Fleisch – entspricht dem Geschmack der Bayerin. Ihr Lieblingsessen ist Schweinefleisch süß-sauer auf Dongbei-Art. Da Liebe über den Magen geht, hat sie längst Zuneigung zu der Region und vor allem zu Shenyang gefunden. „Das ist hier noch richtiges China“, sagt sie im Vergleich zu der Expat-Metropole Shanghai. Sie lernt Chinesisch, unter ihren Freunden sind auch Chinesen. Die Kinder fühlen sich wohl, die drei Ältesten gehen inzwischen in die Schule. So gab es kürzlich bei der Sitzung des Familienrats auch von den Kindern keinen Einspruch, als es um den Verbleib in Shenyang ging. Freudig verkündet Rabea Glotz am Zoom-Bildschirm: „Wir haben kürzlich verlängert.“

Info:

Hier ein kurzes Video über Rabea Glotz, ihre Bücher und ihre Familie: https://www.facebook.com/chinaplusnews/videos/677199630430514/

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