China Hands wurden im 19. Jahrhundert die wenigen Ausländer genannt, die sich in China auskannten, dessen Sprache und Kultur verstanden- oder zumindest so taten. Später wurden daraus Old China Hands, Leute mit 20 oder von mehr Jahren Erfahrung im Reich der Mitte. Es gibt aber auch zunehmend junge Leute, die sich intensiv mit China beschäftigen, die aber oft nicht zu Wort kommen. Deshalb werde ich neben Old China Hands auch Young China Hands vorstellen – auch wenn Letzteres per definitionem ein Widerspruch ist. Heute wird eine Young China Hand vorgestellt: Ian Haase (24).
China ist seit fast drei Jahren nahezu dicht. Als Ausländer kommt man kaum rein, es sei denn. man ist Manager oder heißt Olaf Scholz. Oder man ist ein Student namens Ian Haase. Ende Mai 2021 flog er von Frankfurt nach Chengdu. Er hatte Glück: Der Flug kostete „nur“ 1200 Euro. „Aber mit allen Formalitäten hat mich das 4200 Euro gekostet“, sagt Haase per WeChat aus seiner Bude in der Hauptstadt Sichuans. Dort studiert er Ökologie an der Sichuan Universität. Den Bachelor in Biologie hat er an der LMU in München absolviert. „Ich wollte danach einen Master im Naturschutz machen“, sagt er. Aber warum in China? „Weil in China und speziell im Westen von Sichuan die Artenvielfalt sehr hoch ist. Dort gibt es zum Beispiel über 700 verschiedene Vogelarten.“ Und noch etwas trug zur Entscheidung bei: Er hatte einige chinesische Freunde aus Münchner Studienzeiten.
Nun ist er bereits im dritten Semester seines Masterstudiengangs. Der Unterricht findet in Chinesisch statt. Er habe in München schon zwei Jahre Chinesisch gelernt, sagt er, ein Jahr am dortigen Konfuzius Institut und ein Jahr Online-Kurs an der Sichuan Universität. Haase selbstbewusst: „Danach konnte ich gut Chinesisch sprechen und lesen. Ich lerne schnell Sprachen.“ Nach drei Semestern in Chengdu kann er Vergleiche zwischen dem deutschen und chinesischen Uni-Betrieb anstellen. Außerdem: „Im deutschen Master-Studiengang liegt der Fokus auf Vorlesungen, hier dagegen gab es nur im ersten Semester Vorlesungen, danach wird der Schwerpunkt auf Forschung gelegt.“ So fährt er jeden Monat für ein, zwei Wochen mit Professoren und Kommilitonen in die Naturschutzgebiete Sichuans. „Die Landschaft ist hier phantastisch“, schwärmt er. Im Frühjahr waren sie im Forschungsgebiet Hailuogou am Fuße des Mount Gongga, der mit 7556 Metern der höchste Berg der Provinz ist. „Das ist eine Gegend mit einer der höchsten Biodiversitäten der Welt“, erklärt Haase. Im September hat es dort ein Erdbeben gegeben, so dass sie nun das Forschungsgebiet gewechselt haben. Nach seinen ersten Einblicken wagt er eine These: „Im Naturschutz macht China mehr als Deutschland.“ Die Naturparks dort seien viel, viel größer. Überhaupt sieht er China auf gutem Wege beim Klimaschutz. Er berichtet von den vielen E-Autos und E-Rollern auf Chengdus Straßen und den vielen Wasserkraftwerken in der Provinz Sichuan, die er bislang noch nicht verlassen hat. Das Leben in Zeiten von Corona sei nicht einfach. „Hier wird sehr streng kontrolliert“, sagt er, „und Ausländer werden besonders intensiv überwacht.“ Er habe aber das Gefühl, dass es sich langsam bessert.
Der Master sei hier sehr anspruchsvoll, sagt Haase. Er arbeite sehr, sehr lange. Sein Studentenleben besteht aus viel Lernen, wenig Schlafen, ein bisschen Freizeit und Essen. Chengdu gilt als kulinarische Hochburg. Doch Haase muss passen: „Ich esse nicht so gerne scharf, in der Mensa suche ich immer nach den nicht-scharfen Sachen.“ Und gar vergeblich sucht der gebürtige Regensburger nach einem Nahrungsmittel aus der Heimat: „Ich vermisse gutes deutsches Brot.“