In der amerikanischen Politik gibt es ein Thema, das die ansonsten zerstrittenen Republikaner und Demokraten eint: das ist die Politik gegenüber China. Joe Biden setzt eigentlich die China-Politik Donald Trumps fort, milder im Ton, aber genauso hart in der Sache. Trump startete mit einem Handelskrieg, den Biden um einen Technokrieg erweiterte. Manchmal hat man den Eindruck, die Biden-Administration will die Republikaner in ihren Strafmaßnahmen gegenüber China noch überbieten. Siehe zuletzt die Restriktionen gegen Chinas Chip-Industrie (CHINAHIRN 54). Diese grundsätzliche politische Einstimmigkeit sollte allerdings nicht zu dem Schluss verleiten, dass es in den USA keine Diskussion über den Umgang mit China gibt. Im Gegenteil: Unter Politikbeamten, Thinktankern und Wissenschaftlern herrscht eine rege, inspirierende Auseinandersetzung, die man nicht auf einen simplen Antagonismus zwischen China-Bashern und China-Huggern reduzieren kann. Die amerikanische Diskussion ist vielschichtiger und entsprechend aus mehreren Gruppierungen bestehend. Der Soziologe David M. McCourt (University of California Davis) hat in dem Aufsatz „Knowing the PRC: America´s China Watchers Between Engagement and Strategic Competition” eine Typisierung in vier Gruppen versucht:
- „Strategic Competitors“; Sie betrachten China als strategischen Wettbewerber (oder auch Rivalen), den es einzudämmen gilt. Zu dieser Gruppe zählen Kurt Campbell, Ely Ratner und Rush Doshi – alle sind in verantwortlichen Positionen in der Biden-Administration. Ebenso Matthew Pottinger und die „Konvertiten“ Michael Pillsbury, Orville Schell, David Shambaugh und Winston Lord.
- „Engagers“; diese Gruppe, die weiterhin für Kooperation mit China eintritt, besteht aus ehemaligen Regierungsbeamten und Diplomaten: Charles „Chas“ Freeman, Susan Shirk, J. Stapleton Roy und Jeffrey Bader.
- “New Cold Warriors“ oder „auch Anti-Engagers”; das sind Hardliner, die einen noch härteren Kurs gegenüber China fordern als die Gruppe der „Strategic Competitors“. Zu ihnen zählen oft ehemalige Militärs sowie Neo-Konservative wie Robert Kagan, Robert Spalding, Ian Easton (Project 2049), Josh Rogin (Washington Post) und Peter Mattis (Jamestown Foundation).
- “Competitive Coexistors”: Robert Daly (Wilson Center), Oriana Skylar Mastro (Stanford) und Damien Ma (Paulson Institute). Aber auch Jessica Chen Weiss (Cornell). Diese Gruppe erkennt, dass die USA im Wettbewerb mit China stehen, aber sie hält die Strategie Bidens mit immer mehr Einschränkungen China in die Knie zu zwingen, für falsch. Sie plädieren für mehr Austausch und Kontakte mit China und fordern die USA auf, ihre Hausaufgaben zu machen bei Infrastruktur und Technologie. Die Mitglieder dieser Gruppe, zu denen McCourt auch die New-Media-Vertreter Kaiser Kuo und Jeremy Goldkorn zählt, sind noch relativ jung, meist in den 40ern.
Jessica Chen Weiss zum Beispiel ist 41 Jahre alt und so etwas wie der Shooting-Star unter den moderaten amerikanischen China-Experten. Deshalb hat Ian Johnson ihr soeben ein Porträt in „The New Yorker“ gewidmet. Überschrift: „A Professor who challenges the Washington Consensus on China.“ So richtig berühmt wurde sie durch ihren Beitrag ”The China Trap” in der September/Oktober-Ausgabe von Foreign Affairs. Sie sieht China nicht als eine Bedrohung und kritisiert die „punitive measures that grow by the year.“ Ihr düsteres Fazit: „I think we are in an action-reaction spiral. We´re heading towards a crisis and a catastrophe that will devastate the global economy.”
Info:
Den Aufsatz von David M. McCourt kann man hier downloaden:
Hier geht es zum Artikel „The China Trap“ von Jessica Chen Weiss in „Foreign Affairs“:
https://www.foreignaffairs.com/china/china-trap-us-foreign-policy-zero-sum-competition
Das aktuelle Porträt über Jessica Chen Weisss von Ian Johnson in „The New Yorker“ kann man hier lesen: