Liebe Leserinnen, liebe Leser,

BMW-Chef Oliver Zipse war gerade in Las Vegas. Nein, nicht zum Spielen, sondern zum Schauen. Er besuchte dort die alljährliche Consumer Electronic Show. Während der Tage dort gab er der Nachrichtenagentur Xinhua und anderen chinesischen Medien ein bemerkenswertes und offenes Interview. Neben den üblichen Floskeln wie „China ist unsere zweite Heimat“ plädierte er für „mehr Zusammenarbeit und nicht weniger“. Kooperation sei das Gegenteil von Decoupling, das derzeit viele Politiker auch in Deutschland fordern. Und dann erklärte er, warum BMW in China ist. Nämlich aus zwei Gründen. Erstens wegen des riesigen Marktes. Das weiß inzwischen jeder. Aber weniger bekannt ist hierzulande der zweite Grund: Innovation. Zipse: „Viele Entwicklungen in der Tech-Welt beginnen in China und verbreiten sich von dort in alle Welt“. Ich mache eine kurze Pause, damit Sie diesen Satz nochmals lesen können. Da sagt ein deutscher Automanager aus dem Vorsprung-durch-Technik-Land (gut, der Spruch ist von der Konkurrenz), dass China in vielen Technologiebereichen führend ist, dass wir – das sagt er nicht expressis verbis, sondern zwischen den Zeilen – von China lernen können. Deswegen hat BMW die größte F+E-Abteilung mit 3200 Mitarbeitern außerhalb Deutschlands in China. Ja, China ist inzwischen eine Technologiemacht. Die USA haben das kapiert, deswegen sind sie ja in den Techno-Krieg gegen China gezogen. Hier – in Deutschland und Europa – herrscht dagegen noch ziemlich weit verbreitet das Kopierer-Image von China, das unser Know-how klaut. Leute wacht auf! Das war gestern und vorgestern. Heute ist China in vielen Technologiebereichen – von Künstlicher Intelligenz über Telekommunikation bis Verkehr – mit an vorderster Front. Deshalb ist das Plädoyer von Oliver Zipse für mehr Zusammenarbeit mit China richtig und wichtig. Und zwar Kooperation nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Wissenschaft. Aber beides wird von der Politik hierzulande zunehmend in Frage gestellt. Stichwort: Decoupling. Vielleicht sollte Zipse bei seiner nächsten China-Reise mal Politiker einladen. Ach nein, das geht ja nicht wegen der Compliance-Regeln. Dann eben nur Powerpoint-Präsentationen im Wirtschafts- und Forschungsministerium.

Wolfgang Hirn

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