In den USA ist das Finale der National Football League (NFL) – Super Bowl genannt – das Sport- und Medienereignis des Jahres. Die TV-Werbespots während dieses Spektakels sind die teuersten der Welt. So war es auch dieses Jahr am 12. Februar. Zwei 30-Sekunden-Spots kosteten 14 Millionen Dollar. Das können und wollen sich nur große Markenunternehmen leisten. Aber diesmal mischte sich unter die Werbetreibenden ein Nobody namens Temu. Temu? Never heard, sagten sich viele amerikanische Couch Potatoes und schnappten sich ihr Mobilphone, um nachzusehen, wer da mit dem Slogan „to shop like a billionaire“ wirbt. Temu ist ein Online-Händler, der zu unverschämt günstigen Preisen Bekleidung, Accessoires und vieles mehr anbietet. Zum Beispiel Rucksäcke für 3,08 Dollar, Kindersonnenbrillen für 2,24 Dollar oder eine Männerbadehose für 6,69 Dollar. Temu hat seinen Sitz bei Boston – ist aber chinesisch. Temus Muttergesellschaft ist Pinduoduo, der E-Commerce-Gigant, der 2015 vom ehemaligen Google-Manager Colin Huang gegründet wurde und binnen weniger Jahre in China zum Herausforderer von Alibaba und JD.com emporstieg. Im Ausland tritt Pinduoduo nun unter dem Namen Temu an. Zuerst startete Temu im September 2022 in den USA, dann ging es nach Australien und Neuseeland, im Februar 2023 folgte Kanada. Und am 25. März war der Launch in Großbritannien. Weitere Länder in Europa sind im Visier, ebenso die Regionen Afrika und Lateinamerika. In einem atemberaubenden Tempo globalisiert Temu und greift damit vor allem den Marktführer Amazon an. Und Temu attackiert auch den chinesischen Konkurrenten Shein. Denn Shein (gesprochen she-in) ist der andere chinesische Billigheimer, der globale Ambitionen hat und vor allem Bekleidung verkauft. Shein ist schon etwas länger am Markt als Temu und erzielte im vergangenen Jahr bereits einen Umsatz von rund 100 Milliarden Dollar. Das Unternehmen ist ebenfalls in den USA sehr stark, aber auch in Europa vertreten, in Deutschland mit einer Website in Deutsch. Eine weitere globale Expansion ist geplant. Per Linkedin sucht Shein Mitarbeiter an vielen Orten dieser Welt. Und Ende vergangenen Jahres warb Shein von Alibaba die ehemalige Top-Managerin Jessica Liu ab, die viel Erfahrung im internationalen E-Commerce-Business hat.
Es deutet also vieles hin auf einen globalen Zweikampf zwischen den beiden chinesischen Unternehmen Shein und Temu. Beide profitieren von den Inflationssorgen vieler Konsumenten, die deshalb gerne bei preisgünstigen Produkten zugreifen. Und bei den Preisen sind beide nahezu unschlagbar, weil sie beide auf enorm günstige Produzenten in China zurückgreifen können. Da kann kein Amazon, kein Zara und kein Primark mithalten. Günstig produzieren in China und günstig verkaufen in aller Welt – das ist das Geschäftsmodell der beiden Giganten. Es scheint so, dass Temu, das eher ein Marktplatz denn ein Händler ist, dabei die besseren Verbindungen zu Herstellern in China hat und deshalb noch billiger anbieten kann als Shein. Mit welch harten Bandagen dabei gekämpft wird, zeigt eine Klage, die Shein gegen Temu im Dezember 2022 in den USA eingereicht hat. Darin wirft Shein dem chinesischen Konkurrenten Temu vor, „falsche und irreführende Aussagen“ via gekaufter Influencer über Shein zu tätigen. Eine pikante Konstellation mit Seltenheitswert: Zwei chinesische Unternehmen streiten vor einem US-Gericht.
Info:
Hier die beiden Homepages der Kontrahenten: https://de.shein.com/ und www.temu.com Hier der Werbespot von Temu während des SuperBowls: https://www.msn.com/en-us/health/other/ad-meter-2023-temu/vi-AA17p7Qb