Vor eineinhalb Jahren fand der letzte EU-China-Gipfel statt. Nach dessen Ende bezeichnete ihn EU-Außenbeauftragter Josep Borrell als einen „dialogue of the deaf“, einen Dialog der Tauben oder Schwerhörigen. Nun treffen sich diejenigen, die offenbar einander schwer zuhören können, diesmal in Präsenz und in Beijing. Dort findet am 7. und 8. Dezember der alljährliche EU-China Summit statt. Die Gefahr, dass die Vertreter beider Parteien wieder aneinander vorbeireden, ist groß. Passend zum Beijinger Wetter ist nämlich das Klima zwischen der EU und China frostig. Man beschuldigt sich gegenseitig unlauterer und böser Absichten. Die EU betet eine ganze Litanei an Vorwürfen herunter, meist vorgetragen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – zuletzt am 16. November auf der Europäischen China-Konferenz in Berlin (siehe Info).
Sie wirft der chinesischen Führung vor, eine sinozentrische Weltordnung zu schaffen. Sie kritisiert die Überkapazitäten in geschützten Industrien Chinas, die nun die globalen Märkte fluten – und denkt dabei an Elektroautos und Solarpanels sowie Windturbinen. Sie bemängelt, dass China weniger offen für ausländische Investoren sei. Sie geißelt den Boykott europäischer Waren und die Exportkontrollen bei gewissen kritischen Rohstoffen wie Gallium und Germanium. Dass diese eine Reaktion auf westliche Boykotte sind, sagt sie allerdings nicht. Wer hat denn angefangen? Die USA mit ihrem Exportverbot für gewisse Chips und Europa bzw. die Niederlande (ASML!) mit der Exporteinschränkung von Chipmaschinen. Dass China darauf reagieren würde, hätte jedem Politiker in Brüssel klar sein müssen. Nun ist das Geschrei groß, und man zeigt mit dem Finger auf China.
Das nervt wiederum China. Chinas Führung bemängelt, dass China zunehmend als Rivale und nicht mehr als Partner gesehen wird. China sieht die EU in zunehmender Abhängigkeit von den USA. Insbeondere Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird als zu US-nah beschrieben. China kritisiert den Protektionismus der EU, der sich in möglichen Strafzöllen gegen Elektroautos und Windturbinen, aber auch in dem Verbot von Huawei manifestiert. Sollten die Strafzölle bei Autos eingeführt werden, wird China mit Sicherheit reagieren. So bewegen wir uns in einer gefährlichen Spirale von Sanktionen und Gegensanktionen. In diesem Sog nach unten gibt es auf beiden Seiten nur Verlierer.
Wie kommt man aus diesem Schlammassel heraus? Indem man miteinander redet und versucht, die andere Position zu verstehen. Insofern ist es gut, dass der Gipfel in Beijing stattfindet. aber es ist von ihm leider wenig Substantielles oder Konfliktminderndes zu erwarten. Die vielen Vorgespräche und gegenseitigen Besuche der letzten Wochen haben wenig Annäherung gebracht. Pessimisten rechnen deshalb nicht mal mit einer gemeinsamen Abschlusserklärung.
Sie reden zwar miteinander, aber aneinander vorbei. Mal sehen, welches kommentierende Wort Josep Borrell diesmal parat hat.
Info:
Rede Ursula von der Leyens am 16. November in Berlin: https://merics.org/de/rede-von-ursula-von-der-leyen-auf-der-europaeischen-china-konferenz-2023
Ein umfangreiches Werk mit dem Titel „EU und China between De-Risking and Cooperation“ hat das Jacques Delors Institute soeben herausgegeben:
Die beiden Politikwissenschaftler Maximilian Mayer und Ping Su beschreiben wie – so der Titel ihres Aufsatzes – „A healthier China-EU-Relationship“ aussehen könnte: https://www.ips-journal.eu/topics/economy-and-ecology/a-healthier-china-eu-relationship-7146/