Es ist noch gar nicht so lange her, da machte China vor, was heute Saudi-Arabien nachmacht: Im Geld schwimmende Fußball-Manager kauften zu horrenden Summen meist alternde Fußballstars aus den europäischen Profiligen. Ausgaben von 50, 60 oder gar 70 Millionen Euro für einen Spieler hatten keinen Seltenheitswert. Stellvertretend für diesen Wahnsinn seien die Namen Hulk und Oscar genannt. Selbst ausländische Durchschnittskicker verdienten in der chinesischen. Super-League (CSL) sechsstellige Summen – in der Woche. Der damalige Trainer von Arsenal London, Arsène Wenger, hatte schlimmste Befürchtungen: „China looks to have the financial power to move a whole European league to China.“ China sollte eine neue Fußballmacht werden, was ganz im Sinne des fußballbegeisterten Staatspräsidenten Xi Jinping war. Er hatte große Pläne und wollte, dass China regelmäßiger Teilnehmer bei den Weltmeisterschaften wird und dass diese auch mal in China ausgetragen werden. Aber Fußball lässt sich nicht planen. Es kam anders. China verpasste die vergangene WM in Qatar, und die CSL rutschte immer tiefer in die Krise.
Gründe dafür gibt es einige. Sophie Williams hat sie in ihrem BBC-Beitrag „From Bidding for Bale to selling the team bus“ aufgelistet. Zum Beispiel der im Dezember 2020 vom chinesischen Fußballverband CFA verhängte salary cap. Außerdem untersagte die CFA den Vereinen, den Namen ihres Sponsors zu führen. Die Immobilienkrise traf die Liga, denn relativ viele Vereine hatten Sponsoren aus dieser Krisenbranche. Und dann waren da noch Covid und die chronische Korruption im Verband und in gewissen Vereinen. So dümpelt die CSL so vor sich hin, was man von einer anderen Liga in China nicht behaupten kann.
Die Rede ist von der Village Super League (Cun chao 村 超), eine Graswurzelbewegung im wahrsten Sinne des Wortes. In der südlichen Provinz Guizhou hat sich außerhalb der offiziellen Verbandsstrukturen eine Liga von Dorfmannschaften etabliert, die vor Tausenden von Zuschauern ihre Spiele austragen (siehe CHINAHIRN, 29. Juni 2023). Der Erfolgt dieser Liga hat sich bis nach England herumgesprochen. Kürzlich weilte sogar eine Delegation der englischen Premier League in Guizhou, nachdem im September ein Kooperationsabkommen zwischen der Village Super League und der Premier League unterzeichnet wurde. Auch Freundschaftsspiele sind geplant. Ich bin gespannt, ob Manchester City oder der FC Liverpool über die chinesischen Dörfer ziehen wird.
Info:
Hier der BBC-Beitrag von Sophie Williams: https://www.bbc.com/sport/football/67509606
Hier ein Beitrag über die Village Super League und ein Interview mit deren Chief Planner: https://www.linkedin.com/pulse/china-sports-business-weekly-1st-december-mailman-group-qugsc/
Hier ein eher wissenschaftlicher Artikel im aktuellen Journal of Chinese Current Affairs von Tobias Ross u.a. über „Private Investment in Chinese Football Clubs: Political Capital and State-Business Exchange: https://journals.sagepub.com/doi/epdf/10.1177/18681026231188142