WIRTSCHAFT I Chinas Elektroautos rollen an

Derzeit ist das Containerschiff BYD Explorer No. 1 auf hoher See. Von Longku über Yantai (beides Hafenstädte in der Provinz Shandong) kommend hat der 200-Meter lange Gigant im Hafen von Shenzhen angedockt und Ladung aufgenommen: 7000 Elektroautos des Herstellers BYD, der seinen Sitz in Shenzhen hat. Von dort geht es nach Europa. Ist das der Beginn einer Exportwelle, die Europa überschwemmt – wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen seit Monaten prophezeit?

Tatsache ist, dass Chinas Autoindustrie derzeit einen Rekord nach dem anderen vermeldet. Inzwischen ist China der weltgrößte Autoexporteur (in den ersten elf Monaten 2023 exportierte China 4,4 Millionen Autos, Japan, die bisherige Nummer Eins, nur 3,99 Millionen). China ist weltweit der größte Markt für E-Autos. Und im vierten Quartal 2023 löste BYD den amerikanischen Konkurrenten Tesla als weltweit größten Hersteller von E-Autos ab.

BYD – das Kürzel steht für Build Your Dream. Das als Batteriehersteller gestartete Unternehmen ist der dominierende Hersteller in China. Unter den zehn meistverkauften E-Autos in China sind sechs von BYD.  Warum BYD so stark ist, erklärt Bill Russo, einer der besten Kenner der Szene, in einem Bloomberg-Interview mit „its vertically integrated supply chain and competitive prices“. Auch das Design ist ansprechend. Verantwortlich hierfür ist schon seit Jahren der Ex-Audi-Designer Wolfgang Egger. Die BYD-Modelle sind überwiegend im Massenmarkt unterwegs und sind deshalb (noch) keine Konkurrenten für Tesla oder die deutschen Luxushersteller. In demselben Segment wie BYD tummeln sich auch andere chinesische Hersteller wie Xpeng, Li Auto und neuerdings auch der Multimarken-Konzern Geely, der ja an Daimler beteiligt ist. Geely stellte gerade mit dem Galaxy EP sein erstes vollelektrisches Auto vor, nachdem man bislang auf Hybrid-Modelle gesetzt hatte.

Aber neben diesen mehr oder weniger etablierten Autoherstellern drängen zunehmend Chinas Technokonzerne ins E-Auto-Business. Der weltbekannte Telekom-Ausrüster Huawei ging mit dem Aito M7 an den Start. Kürzlich legte er nach mit dem Aito M9, einem SUV der Luxusklasse. Huawei powert zunächst in China. Dieses Jahr will der Konzern über 800 Showrooms in China eröffnen, nächstes Jahr soll die Zahl dann auf 1000 erhöht werden.

Und ganz neu im Rennen ist Xiaomi. Der Handyhersteller stellte kürzlich seinen SU 7 vor. Reichweite über 800 Kilometer, Spitzengeschwindigkeit 265 km/h. Das ist ein Angriff auf die Luxusklasse. Der ehemalige Opel-Chef Karl-Thomas Neumann gegenüber der Wirtschaftswoche: „In Wolfsburg, Stuttgart und Ingolstadt müssen jetzt die Alarmglocken schrillen.“ Xiaomi-Gründer Lei Jun bei der Vorstellung des SU7: Das Unternehmen wolle nach 15 bis 20 Jahren harter Arbeit zu den fünf größten Autoherstellern der Welt gehören.

BYD ist schon auf diesem Weg. Der Konzern aus Shenzhen dürfte der erste globale Autokonzern aus China werden. Erste Fabriken im Ausland sind geplant. Im ungarischen Szeged will er für den europäischen Markt produzieren (und damit die möglichen Strafzölle der EU umgehen). In Mexiko soll 2025 ein Werk entstehen, um den nordamerikanischen Markt zu bedienen. Und auch auf Vertriebsseite tut sich einiges – auch und gerade in Deutschland, was der Süddeutschen Zeitung am 12. Januar sogar eine Seite-Drei-Geschichte („Mitten ins Herz“) wert war.  Ende November wurde mitten in Stuttgart in der Calwer Passage der erste Showroom eingeweiht. Weitere sind in diesem Frühjahr in Frankfurt, Hamburg und Berlin geplant. Spätestens dann werden auch die ersten Modelle mit dem neuen Containerschiff in Europa angekommen sein.

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