Am späten Abend des 2. Januar strahlte das ZDF eine Dokumentation über die chinesische Megastadt Chongqing aus. Ich habe den Sendetermin wegen gewisser Nachwehen der Feier-Tage zuvor verschlafen. Aber es gibt ja die Mediathek, in der ich dann einen Tag später in aller Ruhe und bei vollem Bewussstsein diese Dokumentation anschauen konnte. Nach dem Abspann war mir sofort klar: Diese Sendung muss gelobt werden – und zwar hier an prominenter Stelle. Das ist seit Jahren eine der besten Dokumentationen über China in den öffentlich-rechtlichen TV-Sendern. Bin ich so euphorisch, weil ich diesen hügeligen Moloch mit dem besten Feuertopf der Welt schon seit meinem ersten Besuch vor 23 Jahren zu meiner chinesischen Lieblingsstadt erkoren hatte? Nein, das spielte bei dieser positiven Urteilsfindung keine große Rolle. Nein, dieser Film ist deshalb vorbildlich, weil hier vorurteilsfrei das Leben der Menschen in dieser Stadt gezeigt wurde. Menschen wie Du und ich, Menschen mit Sorgen und Nöten, aber auch mit Wünschen und Hoffnungen. Ein Film, der zeigt, dass es ein China jenseits von Xi Jinping und der KP gibt. Viel zu häufig dominiert nämlich in der China-Berichterstattung die große Politik, über die mangels Informationen kaffeesatzlesend eh nur gerätselt werden kann. Der kleine Mann (und die kleine Frau) hingegen kommen kaum vor. Wir erfahren in den deutschen Medien viel zu wenig über den chinesischen Alltag. Berichte darüber könnten uns aber dieses schwer zu verstehende Land wenigstens ein bisschen näherbringen. In dem ZDF-Stück über Chongqing und seine Protagonisten – vom alten Lastenträger bis zur jungen Rockmusikerin – ist diese Annäherung bestens gelungen. So sollte beobachtender Journalismus sein. Danke Miriam Steimer, danke ZDF. Mehr davon. Gerne auch in der ARD – oder auch in den Printmedien. Und der Wunsch geht auch an die chinesische Adresse: Behindert nicht ausländische Journalisten, die solche Dokumentation des Alltags erstellen.
Wolfgang Hirn