POLITIK I Eine asiatische NATO – die Gedankenspiele des neuen japanischen Premiers

Japan hat seit dem 1. Oktober eine neue Regierung. Der neue Regierungschef heißt Shigeru Ishiba (67) und kommt von der Liberal-Demokratischen Partei (LDP). Ishiba ist Nachfolger von Fumio Kishida, der über einen Spendenskandal gestürzt war. Zwar muss sich Ishiba am 27. Oktober Parlamentswahlen stellen, aber die Mehrheit der LDP gilt in der „Einparteien-Demokratie“ Japan als gesichert, so dass Ishiba weiterregieren kann.

Die Nachbarländer – allen voran China – interessiert natürlich, wie dieser Neue außenpolitisch tickt und was er vorhat. Einen Einblick in seine Gedankenwelt gab Ishiba wenige Tage vor seinem Amtsantritt in einem Artikel für das amerikanische Hudson Institute. Dort beschrieb er „Japan´s New Security Era: The Future of Japan´s Foreign Policy”. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen steht die Forderung nach einer asiatischen NATO: „The creation of am Asian version of NATO is essential to deter China by ist Western allies.“ Er betrachtet ein solches Gebilde als Gegengewicht zur von ihm unterstellten „nuclear alliance of China, Russia and North Korea“. Gegenwärtig habe Japan viele binationale oder multilaterale Allianzen (wie zum Beispiel die Quad). Diese könnte man – so Ishibas Idee – zu einer asiatischen NATO quasi upgraden.

Wie reagieren die, die einer asiatischen NATO angehören könnten? Ziemlich schnell meldete sich Indiens Außenminister S. Jaishankar zu Wort. Bei einer Veranstaltung des Thinktanks Carnegie in Washington sagte er: „We have never been a treaty ally of any country. We don´t have that kind of strategic architecture in mind.” Auch aus Südostasien kamen eher skeptische Stimmen. In einem Kommentar für Channel News Asia (Singapur) schreiben die beiden Politikwissenschaftler Benjamin Ho (RSIS) und William A. Callahan (SMU): “Mr Ishiba’s primary justification for an Asian NATO is the threat of China, but there are differing interpretations and views of China across Southeast Asian countries.” Sie erinnern zudem daran, dass es schon einmal solche Ideen in den 50er Jahren gab, als die SEATO (Southeast Asia Treaty Organisation) gegründet wurde, aber kläglich scheiterte. In einem Editorial der Jakarta Post heißt es: „Asean will not buy into Ishiba´s idea about an Asian NATO. As a group, Asean needs Japan as a reliable trading and economic partner not a military ally that would only exacerbate tensions in the region.” Selbst die USA sind skeptisch. Daniel Kritenkink, zuständiger Staatssekretär für die Region, sagte, es sei zu früh für solche Gespräche. Ja, nicht mal in den eigenen Reihen hat Ishiba Unterstützer. Nur einen Tag nach dem Amtsantritt Ishibas distanzierten sich auf separaten Pressekonferenzen Außenminister Takeshi Iwaya und Verteidigungsminister Gen Nakatani vorsichtig von der Idee. Iwaya sagte: „I think it´s an idea for the future.” Nakatani: “Ishiba had not asked this ministry to pursue a proposal to set up an Asian equivalent of NATO.”

Und was sagt Chinas Führung? Hält sich zunächst bedeckt und wartet ab. Sie erkennt offenbar noch keine klare Linie in Ishibas China-Politik. China wird sicher gefallen, dass sich Ishiba (den gewisse amerikanische Kreise als Gaullisten bezeichnen) von den USA ein Stück weit emanzipieren will. Ebenso positiv wurde in Beijing aufgenommen, dass er für mehr Dialog mit China plädiert. Dies bekräftigte Ishiba nochmals bei seinem Treffen mit Chinas Ministerpräsident Li Qiang beim Asean-Gipfel in Vientiane. In China nimmt man auch beruhigt zur Kenntnis, dass Ishibas politischer Mentor der ehemalige Premierminister Kakuei Tanaka war. Dieser war einer der China-freundlichsten japanischen Premiers. Er schloss 1972 mit Zhou Enlai das Japan-China Joint Communiqué, das heute noch Gültigkeit hat.

Info:

Hier der Artikel von Shigeru Ishiba für das Hudson Institute (27. September):https://www.hudson.org/politics-government/shigeru-ishiba-japans-new-security-era-future-japans-foreign-policy#:~:text=Japan%2DUS%20alliance.-,%E6%97%A5%E6%9C%AC%E3%81%AE%E5%A4%96%E4%BA%A4%E6%94%BF%E7%AD%96%E3%81%AE%E5%B0%86%E6%9D%A5,-%E3%82%A2%E3%82%B8%E3%82%A2%E7%89%88NATO

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