Dass Donald Trump erratisch ist und seine Meinung ändern kann, weiß man. Und trotzdem wundert man sich, welche Kehrtwendung er im Falle des Social-Media-Unternehmens TikTok gemacht hat. In seiner ersten Amtszeit wollte er das Tochterunternehmen des chinesischen Konzerns ByteDance verbieten, es sei denn es findet sich ein Käufer – natürlich ein amerikanischer. Doch weder aus Verbot und Verkauf wurde etwas. Nachfolger Joe Biden griff den Fall TikTok wieder auf und brachte im April 2024 ein Gesetz durch, das genau das vorsah, was Trump einst wollte: Verbannung aus dem amerikanischen Netz oder ein Verkauf. Bis zum 19. Januar 2025 soll das geschehen. Da sich ByteDance weigert zu verkaufen, ist wohl am 19. Januar ein Verbot fällig. Das ist just einen Tag vor Trumps Amtseinführung. Trump müsste also mit einem Verbot TikToks seine Amtszeit beginnen. Das passt ihm gar nicht. Denn inzwischen hat er seine Meinung über TikTok geändert. Schon im Wahlkampf sprach er immer wieder von „save TikTok“. Kürzlich sagte er auf einer Pressekonferenz in Mar-a-Lago: „TikTok liegt mir am Herzen.“ Warum ihm TikTok plötzlich eine Herzensangelegenheit ist, erklärt sich ganz einfach: Trump hat eine große Fangemeinde auf TikTok. Auch Trump kann Statistiken lesen. Die weisen aus, dass Trumps Posts auf TikTok im Schnitt 24 Millionen Views generieren. Das verkündete Trump selbst stolz am 3. Januar in einem Post auf Truth Social. Dort fragte er angesichts solcher Zahlen eher rhetorisch: „Why would I want to get rid of TikTok?“ Just an diesem 3. Januar schrieb sein Anwalt John Sauer einen sogenannten legal brief an den Supreme Court mit der Bitte, das Inkrafttreten des Gesetzes über den 19. Januar hinaus zu verzögern. Trump, der große Dealmaker, würde danach sicher eine Verhandlungslösung finden. Ob das Gericht darauf eingeht, ist äußerst zweifelhaft. Nur Biden könnte eine Fristverlängerung von drei Monaten genehmigen, aber auch nur, wenn noch ernsthafte und aussichtsreiche Verkaufsgespräche laufen würden. Aber solche Gespräche gibt es nicht. Wie geht es nun weiter? Der Supreme Court, der von TikTok angerufen wurde, hat für den 10. Januar eine mündliche Anhörung angeordnet. Eine Woche vorher haben die beiden Parteien – die Biden-Administration sowie TikTok – nochmals ihre Positionen in Briefen an das Gericht dargelegt. Nach allem, was man so hört, wird das höchste Gericht das Gesetz durchwinken, so dass es am 19. Januar in Kraft treten kann. Es sei denn Trumps Anwälte finden noch eine Finte, dies zu verhindern.
Info:
Trumps Brief vom 27. Dezember: https://www.supremecourt.gov/DocketPDF/24/24-656/336151/20241227163400981_2024-12-27%20-%20TikTok%20v.%20Garland%20-%20Amicus%20Brief%20of%20President%20Donald%20J.%20Trump.pdf
Brief der Biden-Administration vom 3. Januar: https://www.supremecourt.gov/DocketPDF/24/24-656/336568/20250103162633069_24-656rb_Govt_final.pdf
Brief von TikTok vom 3. Januar: https://www.supremecourt.gov/DocketPDF/24/24-656/336542/20250103152311278_24-656%20rb.pdf