HU IS HU I Graham Allison – Beijings derzeit Lieblingsintellektueller

Es ist üblich, dass sich Politiker bei der Münchner Sicherheitskonferenz mit vielen Kollegen aus anderen Ländern treffen. Chinas Außenminister Wang Yi machte da keine Ausnahme. Am 14. November empfing er nacheinander Olaf Scholz, Friedrich Merz sowie Annalena Baerbock und weitere Außenminister.  Doch da war auch noch ein älterer Herr, der nicht in diese Politiker-Riege passte: Graham Allison (84). Der Harvard-Historiker ist derzeit so etwas wie der Lieblings-Intellektuelle der chinesischen Führung. Berühmt wurde er mit seinem 2017 erschienen Buch „Destined for War – Can America and China Escape the Thucidydes’s Trap“. Thukydides war ein griechischer Historiker. Er schrieb „Der Peloponnesische Krieg“, in dem sich das aufsteigende Sparta und das herrschende, aber schwächelnde Athen bekriegten. Diese Konstellation – Herausforderer trifft auf Titelverteidiger – hat es in der Geschichte immer wieder gegeben. Graham Allison hat 16 solcher Fälle untersucht und kam zu dem Ergebnis: In zwölf Fällen kam es zum Krieg. Wird das auch im Falle China versus USA so sein? Allison sagte gegenüber Wang in München: „US and China should avoid falling in the Thucydides´s trap.” Aber wie? Durch “strengthened communication and dialogue between both sides.” Mit dieser Forderung stieß er natürlich bei Wang auf offene Ohren. Weil Allison den Dialog zwischen China und den USA propagiert, wird er in Beijing hochgeschätzt. Am 27. März 2024 gehörte er als einziger Intellektueller zu einer amerikanischen Wirtschaftsdelegation, die von Xi Jinping in der Großen Halle des Volkes empfangen  wurde. Am 19. Dezember 2024 war Allison wieder in Beijing und traf dort Wang Huning, die Nummer Vier in der chinesischen Hierarchie, zu einem Vier-Augen-Gespräch. Und nun wurde ihm in München die Ehre eines Gesprächs mit Außenminister Wang Yi zuteil. Der chinesische Thinktanker Wang Huiyao (Center for China and Globalization) glaubt, dass Chinas Führung auf der Suche nach einem neuen Henry Kissinger sei und bereits fündig geworden sei: „Allison seems to top the list“. Diese Vermutung sei auch in einem Artikel der Washington Post geäußert worden („As ties with the U.S. worsens, China asks: Who´s the new Kissinger“?). Tatsache ist, dass Allison und Kissinger einiges gemeinsam hatten. Allison war zunächst Schüler von Kissinger in Harvard, später aber Kollege und Freund des Altmeisters, der vor kurzem im Alter von 100 Jahren starb. Bis zuletzt hatten sie fast wöchentlich Kontakt miteinander. Allison erlebte dabei einen skeptischen Kissinger: „Graham, I’m hearing louder and louder the echoes of 1914.“ Allison versuchte ihn mit seinem optimistischen Denken zu beruhigen, denn er ist eben nicht wie so viele Kollegen und Politiker davon überzeugt, dass es zwangsläufig zu einer kriegerischen Auseinandersetzung der beiden Supermächte China und USA kommen werde. Der wichtigste Grund sei Donald Trump. Wie er den neuen US-Präsidenten einschätzt, hat Allison bei einer Diskussion beim World Economic Forum in Davos erklärt. Von den rund 1000 Kandidaten, die für Senat, Repräsentantenhaus und Weißes Haus im November kandidierten, hätte kein einziger etwas Nettes über China gesagt – außer einem: Donald Trump. Der sagte nämlich: „I respect China. I very much respect Xi Jinping.” Warum hätte er das in einem Wahlkampf sagen sollen? fragt Allison rhetorisch. Er glaubt, dass Trump dies ernst meint. Ja, es gebe um ihn herum China-Falken wie Rubio, Waltz und Ratcliffe. „But there is Trump. And Trump is determined to be the CEO and to be running things.”

Allison stuft Trump nicht als Falken ein. Das machte er in einem Beitrag für die Washington Post vom 5. Februar deutlich. Die Überschrift über sein Opinion-Stück lautete: „Is Trump a China Hawk? How Trump, like Nixon, could form a partnership with China”. Die selbst gestellte Frage beantwortet er mit Nein. Und ja, er traue Trump Historisches zu – ähnlich wie Nixon anno 1972, als dieser nach China reiste und damit das Ende der Eiszeit zwischen China und den USA einleitete. Allison ist von Trump so überzeugt, dass er sogar öffentlich eine Wette eingegangen ist: „At Davos I said, I’m prepared to make a bet, and I made a public bet, about the proposition that a year from today, so January 2026, relations with the US and China will significantly improve. So we’ll be suprised on the upside.”  

Ich werde im Januar 2026 berichten, wie die Wette ausgegangen ist.

Info:

Das Buch: Graham Allison: Destined for War – Can America and China Escape the Thucidydes’s Trap, 364 Seiten, 9,99 Euro Taschenbuch).

Allison beim World Economic Forum in Davos: https://www.weforum.org/stories/2025/01/davos-2025-us-president-trump-takes-office/

Allison im Gespräch mit Wang Huiyao bei der Münchner Sicherheitskonferenz:

https://www.pekingnology.com/p/graham-allison-and-henry-huiyao-wang?utm_source=post-email-title&publication_id=47580&post_id=157273439&utm_campaign=email-post-title&isFreemail=true&r=1cv&triedRedirect=true&utm_medium=email

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